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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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«Jetzt komm rein, ist doch viel zu kalt draußen.» Ihr war die Sache peinlich.
    Als mit dem Frühjahr wieder Geranien in den Kübel gepflanzt wurden, glaubte ihre Mutter, nun sei es ausgestanden. Weit gefehlt, nun drehte sie sich Lockenwickler ins Haar, verschmierte mit Lippenstift ihr halbes Gesicht, legte die Bettdecke um die Hüften und spielte feine Dame in mittelalterlicher Festrobe. Das hatte sie im Fernsehen gesehen. Einen Unterschied zwischen Bühne und Fernsehen machte sie in dem Alter noch nicht.
    Mit zwölf Jahren bearbeitete sie ihren Kunstlehrer so lange, bis er an der Schule eine Theatergruppe zusammenstellte. Selbstverständlich bekam sie die Hauptrollen, meist noch zwei oder drei Nebenrollen dazu, Hauptsache, sie stand in jeder Szene auf der Bühne, dann konnte man die Souffleuse sparen. Ihr Kunstlehrer vertrat die Ansicht, man sollte sie nach dem Abitur auf eine Schauspielschule schicken, sie habe zweifellos großes Talent. Ihre Mutter hoffte inständig, dass sie bis zum Abitur zur Vernunft kommen würde. Aber so weit kam sie nie.
    Sie war erst fünfzehn, als sie zum ersten Mal schwanger wurde – und sich einiges einfallen ließ, um zu verschleiern, wie es dazu gekommen war. Als ihr Zustand sich nicht mehr verbergen ließ, erzählte sie ihren Eltern und einer Mitarbeiterin des Jugendamts eine rührende Liebesgeschichte von einem italienischen Austauschschüler. Sie nannte einen Namen, Gasteltern, Heimatadresse. Natürlich waren alle Angaben falsch, und ihre Mutter fragte sich, wer wen belogen hatte.
    Es gab die üblichen Vorhaltungen und verspätete Belehrungen zur Schwangerschaftsverhütung. Allzu viel sagen durfte Christa nicht. Sie war auch erst achtzehn gewesen, als Norbert geboren wurde. Karlheinz war damals zwanzig, alt genug, um sofort zu heiraten. Und auch nach fünfundzwanzig Jahren war ihre Ehe noch glücklich, Karlheinz war ja nur selten da. Wenn er kam, war es wie Urlaub oder Flitterwochen. Trotzdem fand Christa, sie hätten sich beide um ein paar unbeschwerte Jugendjahre betrogen, und Karen hätte nicht unbedingt in ihre Fußstapfen treten, sie altersmäßig noch unterbieten müssen. Aber da sie geschwiegen hatte, bis Kartoffelchips und Schokolade den wachsenden Leibesumfang nicht mehr erklärten, war es nicht zu ändern. Die Theatergruppe wurde natürlich gestrichen. Zur Schule ging sie auch nicht mehr in den letzten Monaten vor der Geburt. Der Rektor sah sofort ein, dass sie die Zeit besser unter der Obhut ihrer Mutter als in einem Klassenraum verbrachte.
    Anfang September 1988 brachte sie eine Tochter zur Welt, Jasmin. Von der Geburt spürte sie nichts, hatte nicht einmal Wehen. Der Gynäkologe sprach mit Blick auf ihr Alter, vielmehr ihre Jugend, sie war erst im Mai sechzehn geworden, von einer Anomalie des Beckens und hielt einen Kaiserschnitt für zwingend notwendig. Als man ihr das Baby in den Arm legte, sauber und rosig, mit einem klaren, hellwachen Blick, war es für sie wie ein Wunder. Und Wunder brauchten keine Erzeuger. Maria war auch nur vom Heiligen Geist besucht worden, wenn man der Bibel glaubte.
    Da sie noch minderjährig war, wurde das Sorgerecht ihren Eltern übertragen. Ihre Mutter kümmerte sich auch um Jasmin. Mit ihren vierundvierzig Jahren war Christa nicht zu alt, hätte ohne weiteres noch ein eigenes Kind bekommen können. Und Karen sollte sich mit der frühen Mutterschaft nicht die Zukunft ruinieren, sondern die Schule zu Ende bringen. Damit sie das in Ruhe tat, weder den anzüglichen Bemerkungen ihrer Mitschüler noch den scheelen Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt war und auch nicht auf den Gedanken kam, sich noch einmal mit einem Austauschschüler oder sonst wem einzulassen, zogen sie um.
    Christa hatte schon seit geraumer Zeit mit einem eigenen Haus geliebäugelt. Karlheinz verdiente auf Montage sehr gut, sie verdiente noch dazu, steuerfrei, seit Karens Geburt übte sie ihren Beruf in der Küche aus. Ihr Kundenstamm war beachtlich, und sie sparte, was immer sich sparen ließ, träumte davon, ihr Eigenheim eines Tages bar bezahlen zu können, Schulden waren ihr zuwider. Es reichte noch nicht ganz, trotzdem forcierte sie die Suche, fand einen Altbau in Sindorf, einem Ort im Kölner Umland. Das Haus war renovierungsbedürftig, entsprechend preisgünstig und groß genug, zwei Familien zu beherbergen. Norbert baute später das Obergeschoss für sich und seine Familie aus.
    Zu Anfang war Norbert nicht begeistert, von der Großstadt aufs Land zu wechseln. In

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