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Das letzte Relikt

Das letzte Relikt

Titel: Das letzte Relikt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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gesehen hatte, etwas Kleines, Glänzendes auf dem Boden der Kuhle. Er ging in die Hocke, um es besser erkennen zu können.
    Es war etwa dreißig Zentimeter lang, schwarz, aber poliert, etwa wie ein Spazierstock. Aber er konnte es immer noch nicht richtig erkennen. Carter stützte sich mit der Hand ab, um das Gleichgewicht zu halten, und kletterte vorsichtig in die Senke hinunter. Es war noch tiefer, als er gedacht hätte, und seine Finger scharrten an den dreckigen Wänden, als er nach unten rutschte. Er landete auf dem Knöchel, den er sich einmal beim Basketball verletzt hatte, und zuckte zusammen.
Mist
, dachte er,
das kann ich jetzt auch gerade noch gebrauchen
. Der Schmutz zu seinen Füßen war vom Feuer schwarz verbrannt, und als er sich umsah, fand er den glänzenden Gegenstand wieder. Er bückte sich und hob ihn auf. Als er sich wieder aufrichtete, stellte er angenehm überrascht fest, dass er sich nicht länger in der Grube befand. Er lag in seinem alten Kinderzimmer außerhalb von Chicago, demjenigen, in dem er sich vom Mumps erholt hatte.
    Das war es also! Das war gar nicht real, es war ein Traum! Es fühlte sich nur nicht an wie ein Traum, genauso wenig wie das Ding in seiner Hand sich wie ein Phantasiegebilde anfühlte.
    Das Schlafzimmer war genauso, wie er es in Erinnerung hatte. Die Trophäe, die er beim Westinghouse Forschungswettbewerb gewonnen hatte, stand auf der zerschrammten Kommode. Das Poster von Raiders of the Lost Ark schmückte die Schranktür. Und in dem alten Sessel unter dem Dachvorsprung las eine Frau einem kleinen Kind etwas vor.
    Jetzt wusste er definitiv, dass es ein Traum sein musste. Er hatte niemals ein Mädchen mit nach oben in sein Zimmer genommen, und schon gar nicht eins mit einem Kleinkind.
    Doch als er näher herantrat, blickte die Frau auf, ohne mit dem Vorlesen innezuhalten, und lächelte ihn an. Es war Beth. Aber wessen Kind war es? War es seins? Er dachte, das sei völlig unmöglich. Aber vielleicht stimmte das nicht, vielleicht hatten die Ärzte sich geirrt! Plötzlich fühlte er sich so glücklich, so erleichtert.
    »Ist er … unser Sohn?«, fragte Carter und deutete nickend auf den kleinen Jungen, dessen blonder Haarschopf in Beths Armbeuge geschmiegt war.
    Aber sie antwortete nicht, stattdessen las sie einfach weiter aus dem Buch vor, bei dem es sich, wie er jetzt zu seinem Erstaunen feststellte, um Vergils
Aeneis
handelte – jene uralte Ausgabe, die er in Princeton gelesen hatte. Seit wann war das eine Gutenachtgeschichte?
    »Hochauf ragte die Höhle«, las sie laut in einem weichen Singsang, »gewaltig mit klaffendem Rachen …«
    Carter beugte sich näher, um seinen Sohn zu betrachten.
    »… schroff und geschützt vom schwarzen See und finsteren Wäldern …«
    Sein Haar war blond, fast weiß, und hing in niedlichen Löckchen herunter.
    »… Nimmer konnten straflos hier hinüber die Vögel nehmen im Fluge die Bahn …«
    Doch als er schläfrig den Kopf hob, erkannte Carter, dass dort, wo seine Augen hätten sein sollen –
    »… ein solcher Brodem entquoll dem schwarzen Schlunde und stieg empor zum Himmelsgewölbe …«
    – sich nur zwei klaffende Löcher befanden, wie Höhlen in den Kopf eingebrannt, in denen ein Feuer loderte.
    Würgend saß Carter kerzengerade im Bett. Sein Herz pochte so heftig, dass er das Gefühl hatte, seine Brust müsste zerspringen. Sein Körper war eiskalt und schweißgebadet.
    »Was ist los?«, fragte Beth besorgt.
    Er schluckte hart und zitterte.
    Beth setzte sich ebenfalls auf. Sie trug ihren Lieblingspyjama mit Leopardenmuster. »Alles in Ordnung?«, fragte sie und zog die Decke um seine Schultern.
    »Alles okay«, keuchte er.
    »Hattest du einen Albtraum?«
    »Den schlimmsten, den ich je hatte.«
    Sie stieß ihren Atem aus. »Das glaube ich gerne.«
    Er zitterte erneut und zog die Decke fester um sich.
    »Willst du mir davon erzählen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich würde ihn lieber vergessen.«
    Besänftigend strich sie ihm über den Rücken. »Vielleicht ist das wirklich besser.« Im schwachen bläulichen Licht des Weckers sah sie, dass er etwas in der Hand hielt. »Was hast du da?«
    Er wusste nicht, wovon sie sprach.
    »In deiner Hand – du umklammerst etwas.«
    Carter blickte nach unten und stellte erst jetzt fest, dass er in der Tat etwas in der Hand hielt. Er öffnete die Faust und ließ es auf die Decke fallen.
    »Ein Kruzifix«, sagte Beth verwirrt. »Wo kommt das denn her?«
    »Es gehört Joe.«
    »Warum

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