Das letzte Relikt
gerade hinzufügen, dass Beth aussah, als könnte sie eine ordentliche Portion Schlaf vertragen, aber dann überlegte sie es sich anders. Wer hörte so etwas schon gerne?
Obwohl sie inzwischen ein Dutzend Mal beim Haus gewesen war, war Abbie daran gewöhnt, dass Ben am Steuer oder neben ihr saß, so dass sie nie groß auf die Richtung oder Wegmarkierungen geachtet hatte. Jetzt war es zudem schon dunkel, und sie musste sich konzentrieren und an jeder Kreuzung oder Abbiegung zweimal überlegen. Musste sie hier scharf links abbiegen oder die andere Straße nach links nehmen? Lag die alte Gießerei immer rechts von ihnen, oder waren sie auf der Anliegerstraße quer über das Gelände gefahren? Hin und wieder entdeckte sie etwas Bekanntes, den vertrauten Schriftzug von Quickie Mart auf einem trostlosen Neonschild oder die Tankstelle mit diesen altmodischen Pumpen, wo sie ein paarmal auf dem Rückweg in die Stadt getankt hatten. Dann wusste sie, dass sie auf dem richtigen Weg war. Aber es war nicht leicht, und die Dunkelheit, die sie von allen Seiten umgab, war tiefer und abweisender, als sie es von den vorigen Fahrten in Erinnerung hatte. Im Grunde ihres Herzens musste sie sich eingestehen, dass sie, trotz ihrer Tagträumereien vom einsamen Landleben, nicht oft allein herkommen würde. Zumindest nicht abends.
Als sie schließlich die alte Bahnlinie kreuzten, deren Warnschild von Rost und Einschusslöchern arg in Mitleidenschaft gezogen war, wusste sie, dass sie es fast geschafft hatten. Vorsichtig nahm sie die lange, beeindruckende Kurve eines Hügels und wich dem Schlagloch aus, von dem sie wusste, dass es kommen würde. Sie bremste und schaltete das Fernlicht an, um die Auffahrt zu ihrem Haus zu finden. Sie wurde teilweise von einer riesigen alten Eiche verdeckt, die wie ein gigantischer Wachposten am Anfang des schmalen Hohlwegs stand.
»Mein nächstes Projekt wird irgendeine Lampe sein, damit ich das Haus auch im Dunkeln finde«, sagte Abbie, als sie mit dem Wagen in die Auffahrt einbog.
»Was ist das?«, sagte Beth, gerade als Abbie selbst es erblickte. Ein orangefarbener Straßenkegel stand auf der rechten Seite der Auffahrt. Sie erwischte ihn mit der Stoßstange und stieß ihn in einen tiefen Graben, den sie erst jetzt bemerkte.
»Was ist hier denn los?«, sagte Abbie, riss hektisch den Wagen nach links und hielt an.
»Sieht nach Straßenbauarbeiten aus«, sagte Beth und spähte die Auffahrt hinunter. Der Graben zog sich den ganzen Hügel hinunter und hörte kurz vor dem Haus auf.
»Du hast recht«, sagte Abbie, »das muss die Wasserleitung sein. Sie wird gerade überall hier in der Gegend erneuert.«
»Haben sie euch nicht Bescheid gegeben, dass sie jetzt damit anfangen?«
»Wer liest schon all die Zettel, die man ständig bekommt?« Abbie startete den Wagen erneut. »Ich hoffe nur, dass sie uns nicht das Wasser abgestellt haben.«
Sie fuhren den Rest des Weges hinunter bis zum Haus. Tiefschwarz lag es in der Dunkelheit und war vor den ebenso schwarzen Hügeln dahinter fast nicht zu erkennen.
Abbie bog in die halbrunde Auffahrt ein. Die Reifen knirschten auf dem losen Kies, dann hielten sie neben einem Stapel Baumaterial und einer zusammengeklappten Leiter an. Die Balken und Steine wurden für eine zusätzliche Terrasse an der Rückseite des Hauses gebraucht. Abbie wollte schon die Scheinwerfer ausschalten, überlegte es sich dann aber anders.
»Ich lasse sie an, bis ich das Haus aufgeschlossen habe«, sagte sie, und Beth nickte.
»Können wir nicht die Vorhänge bis morgen im Auto lassen?«, fragte Beth, und dieses Mal stimmte Abbie zu. Keine von ihnen wollte es aussprechen, aber beide wollten nichts anderes, als so schnell wie möglich ins Haus kommen, die Tür hinter sich absperren und jede Lampe im Haus einschalten.
Abbie stieg aus, ließ die Fahrertür offen, obwohl ein leiser Warnton einsetzte, und eilte die Holztreppe empor. Auf der Vordertreppe suchte sie zwischen ihren Schlüsseln, bis sie den richtigen gefunden hatte. Anschließend musste sie ihn noch eine Weile drehen und rütteln, bis das Schloss endlich nachgab und die Tür sich öffnen ließ. Auf der Stelle griff sie nach innen und schaltete die Lampen im Eingang und auf der Terrasse an, ehe sie zum Auto zurückkehrte.
Beth zerrte ihre Taschen von der Rückbank. Gemeinsam trugen sie das Gepäck die Treppe hinauf und ließen es im Foyer fallen. Im Haus war es fast so kalt wie draußen in der Nacht.
»Ich stelle die Heizung an«, sagte
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