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Das letzte Relikt

Das letzte Relikt

Titel: Das letzte Relikt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Slipper an. Trotzdem rannte er weiter, schlängelte sich tänzelnd durch die anderen Menschen auf dem Gehweg. Nicht lange, und er fand sich in einer schmerzlich vertrauten Ecke wieder. Genau auf der anderen Seite der breiten Straße befand sich der Haupteingang des St. Vincent’s Hospital.
    Und nirgends eine Spur von dem roten Mantel.
    Mit einer Hand stützte er sich am Straßenschild ab, sah sich um und holte keuchend Luft.
    Es war dieselbe Stelle, an der Ezra Metzger ihn nach der Beerdigung abgesetzt hatte. Er stand vor dem Grundstück, auf dem demnächst Villager-Genossenschaftswohnungen errichtet würden, wie die Plakatwand verkündete. Der Tag mochte vielleicht nicht mehr fern sein, aber im Moment war es ein dunkler und dreckiger Schandfleck. Ein verbogener, durch eine Kette gesicherter Zaun umgab das leere, verlassene Gebäude aus schäbigem braunem Klinker. Carter blickte auf die brüchigen Stufen, die zerbrochenen, mit Sperrholz vernagelten Fenster, die verzierte, aber trostlose Fassade aus der vorletzten Jahrhundertwende. Der Haupteingang war kreuz und quer mit schweren Bohlen vernagelt und mit einem Warnschild
    BETRETEN VERBOTEN
    versehen. Darüber hing an einer einzigen Schraube ein verrostetes Metallschild. Obwohl es mit Graffiti bedeckt war, konnte Carter die Worte MEDIZINISCHES ZUBEHÖR erkennen. Interessanter jedoch war die Inschrift hinter dem halb abgefallenen Schild, die in den Stein der ursprünglichen Fassade eingemeißelt war:
    NEW YO K SANATOR M FÜR TUBER UL SE
UND INFEKT NSKRAN HEIT N.
    Man musste nicht regelmäßig
Das Glücksrad
sehen, um den Namen zu vervollständigen: New York Sanatorium für Tuberkulose und Infektionskrankheiten. Unter den eingemeißelten Buchstaben stand das Gründungsjahr: 1899 .
    Auf Carter wirkte das Gebäude wie aus einem Roman von Dickens. Wie lange es wohl in Betrieb gewesen war, ehe man es dem endgültigen Verfall preisgegeben hatte? Die Reinkarnation als Lager für medizinisches Zubehör jedenfalls schien auch schon eine ganze Weile zurückzuliegen. In Manhattan gab es nicht mehr viele Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert, und auch dieses hier würde bald dran glauben müssen. Normalerweise tat es Carter leid, diese alten Häuser verschwinden zu sehen, zu sehen, wie die Geschichte der Stadt ausgemerzt und durch seelenlose gläserne Wolkenkratzer und Wohntürme für Yuppies verdrängt wurde. Dieses spezielle Gebäude jedoch strahlte etwas aus, von dem er bezweifelte, dass es jemand vermissen würde. Selbst wenn er nicht gewusst hätte, welchem Zweck es ursprünglich einmal gedient hatte, hätte er es öde und entmutigend gefunden. Unheilvoll, wenn er ganz ehrlich war.
    Aber es gab kein Zeichen von dem Mann in dem roten Mantel, weder hier noch sonst wo. Entweder hatte Carter ihn verloren, oder der Kerl hatte ihn bewusst abgeschüttelt.
    Ein kalter Wind pfiff die Straße entlang, und Carter zitterte. Ein Krankenwagen mit rotierenden Lichtern bog in der Ferne um die Ecke und näherte sich dem Eingang zur Notaufnahme.
    Er überquerte die Straße und dachte an das chinesische Essen, das Beth mitgebracht hatte. Die Aussicht darauf war verdammt verlockend. Er blieb noch einmal stehen und blickte zurück zu dem verlassenen Gebäude mit den verbarrikadierten Fenstern. Die massiven Wände sahen aus, als würden sie meditieren. Plötzlich hatte er das unerklärliche Gefühl, dass das Haus selbst, heruntergekommen, unbewohnt und kurz vorm Zusammenfallen, seinen Blick erwiderte. Verrückt, er wusste es, aber so war es. Er wandte sich ab und ging davon. Ein Zitat, möglicherweise von Nietzsche, schoss ihm durch den Kopf. Wie ging es noch genau?
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
    Wie wahr.

23 . Kapitel
    »Und Henoch sah, eingereiht inmitten der Engel, jene, die bekannt waren als die Wächter. Ihr Haar glich gehämmertem Gold, ihre Gewänder … Ihre Augen, welche sie niemals schlossen, waren tief wie Brunnen in der Wüste. Sie wachten über die … der Menschen und lehrten sie viele Dinge.«
    Ezra war erfreut, wie sich die Stücke der Schriftrolle zusammenfügten. Es war eine mühsame Arbeit, aber er hatte gerade einen weiteren zerfledderten Schnipsel gefunden, der sich genau an der richtigen Stelle ordentlich in den Text einzufügen schien, als er ein Klopfen an der nächsten Tür, der Schlafzimmertür, hörte.
    Verdammt. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um gestört zu werden.
    Er ignorierte das Klopfen, aber es

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