Das letzte Relikt
ertönte erneut, und dieses Mal hörte er Gertrude, die mit leiser Stimme aus dem Korridor rief: »Ezra, da ist ein Anruf für dich.«
Ein Anruf? Ezra hatte nicht einmal eine eigene Telefonnummer. Wer sollte ihn auch anrufen? Und was Freunde anging … Dann dämmerte es ihm, wer es sein könnte, und ohne auch nur die Latexhandschuhe auszuziehen, sprang er von seinem Zeichentisch auf, rannte ins nächste Zimmer und riss die Tür auf.
»Es ist ein gewisser Carter«, sagte Gertrude und hielt ihm das schnurlose Telefon hin.
»Hier ist Ezra«, sagte er und scheuchte die neugierige Gertrude fort. »Carter Cox?«
»Ja.«
Er klang nicht gerade freudig. Trotz der einsilbigen Antwort spürte Ezra, dass Carter ihn nur widerwillig anrief.
»Ich hatte gehofft, dass Sie anrufen«, sagte Ezra, um ihn weiter zu ermutigen.
»Und ich hatte gehofft, ich bräuchte es nicht.«
»Aber jetzt haben Sie es getan, und das ist alles, was zählt. Sie haben also über das nachgedacht, was ich im Wagen gesagt habe? Das ist gut. Das ist ein Anfang.«
Carter räusperte sich und sagte: »Ja. Nun ja, vielleicht.«
»Wann wollen wir uns treffen? Um zu reden?«
»Ich habe heute zum Lunch Zeit«, sagte Carter. »Und wenn Sie Lust hätten, nach Downtown in den Fakultätsclub der NYU zu kommen, würde ich Sie gerne einladen.«
Nein, dachte Ezra, das klang entsetzlich. Außerdem hatte Kimberly vor, sich heute von Onkel Maury auf eine Einkaufstour fahren zu lassen, so dass ihm nichts anderes übrigbliebe, als ein Taxi zu nehmen. Ob er damit wohl die Auflage vom Gericht verletzte, ständig erreichbar zu sein?
»Wie wäre es«, sagte Ezra, plötzlich ganz beflügelt, »wenn Sie hierherkämen? Ich könnte einen Lunch zubereiten lassen, und wir könnten uns absolut ungestört unterhalten.«
Es gab eine Pause, dann sagte Carter: »Also gut, danke. Wo wohnen Sie?«
Ezra gab ihm die Adresse und legte auf. Anschließend stand er stocksteif da und dachte nach. Was hatte Carter schließlich doch noch dazu gebracht, die Nummer zu wählen, die er auf einen Fetzen Papier gekritzelt hatte? Er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Und jetzt war der Anruf gekommen. Was sagt man dazu! Dinge, die womöglich größer waren, als selbst er, Ezra, es sich vorstellen konnte, waren erneut in Bewegung gesetzt worden. Wenn es tatsächlich einen größeren Plan gab, hatte er vielleicht gerade einen kurzen Blick darauf erhascht.
Dem Anlass zu Ehren duschte Ezra, rasierte sich und zog einen frischen schwarzen Rollkragenpullover an. Als Carter eine Stunde später eintraf, wartete er bereits im Foyer auf ihn, um ihn zu begrüßen. Carter, das merkte er, war einen Moment lang überrascht von der prunkvoll ausgestatteten Wohnung. Die Skulpturen von Rodin, die gewölbten Decken, der Ausblick aus dem Penthouse. Ezra war natürlich daran gewöhnt.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte er, nahm ihm die Lederjacke ab und reichte sie Gertrude, die wie eine Mutterglucke um sie herumschwirrte. »Folgen Sie mir«, sagte er und führte seinen Gast über den polierten Marmorfußboden. »Wir werden im Esszimmer speisen. Dort haben wir vollkommene Ruhe.« Doch dann hörte er Kimberlys Stimme, die gerade auf sie zukam, und er blieb stehen. Sollte sie nicht schon längst zum Shoppen sein?
»Ich werde heute bei ein paar Galerien vorbeischauen«, sagte sie gerade, »aber damit bin ich bis zum späten Nachmittag fertig. Merken Sie mich für halb sechs vor.«
Einen Moment später kam sie in Sicht, als sie gerade ihr Handy zuklappte. Als sie Ezra und Carter sah, blickte sie von einem zum anderen, als versuchte sie herauszufinden, was an dem Bild nicht stimmte. Diamantohrringe glitzerten diskret unter ihrem kastanienbraunen Haar.
»Du hast Besuch von einem Freund?«, sagte sie mit kaum verhohlener Überraschung zu Ezra. »Ich bin Kimberly Metzger«, sagte sie zu Carter und streckte ihm eine perfekt manikürte Hand entgegen.
»Carter Cox.«
»Sie sind nicht zufällig«, fragte sie und senkte die Stimme, »sein Bewährungshelfer, oder?«
So sehr er sie auch hasste, Ezra war beeindruckt. Sie schaffte es in Rekordzeit, ihn schlechtzumachen.
»Vom Gericht?«, fuhr sie fort, ehe Carter sich eine Antwort einfallen lassen konnte. »Oder aus Dr. Neumanns Praxis?«
»Nein, nichts dergleichen«, sagte Carter leicht befremdet. »Ich unterrichte an der NYU . Ezra und ich haben einige Dinge zu besprechen. Über seine … Forschung.«
Sie nickte und sagte: »Oh, seine
Forschung
«,
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