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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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fährt Berger fort, »ist die Sache mit Chandonne. Wenn wir annehmen, dass Jean-Baptiste Chandonne Bray kannte - sagen wir mal, sie haben gemeinsam Geschäfte gemacht -, warum hat er sie dann umgebracht? Und noch dazu auf so brutale Art? Das passt einfach nicht ins Bild. Es passt nicht zum Profil. Was meinen Sie?«
    »Vielleicht sollten Sie mich über meine Rechte aufklären, bevor Sie mich fragen, was ich über Brays Mörder denke« , erwidere ich. »Oder vielleicht sollten Sie sich ihre Fragen für die Anhörung aufsparen.«
    »Sie sind nicht verhaftet«, entgegnet sie, und ich bin fassungslos. Ich höre ein Lächeln heraus. Ich habe sie amüsiert. »Und Sie müssen nicht über Ihre Rechte aufgeklärt werden.« Sie ist wieder ernst. »Ich spiele nicht mit Ihnen, Kay. Ich bitte Sie um Ihre Hilfe. Sie sollten verdammt froh sein, dass ich die Zeugen in dem Raum befragen werde und nicht Righter.«
    »Ich bedauere nur, dass überhaupt jemand in diesem Raum sein wird. Niemand sollte dort sein. Nicht meinetwegen«, sage ich. »Es gibt zwei entscheidende Punkte, die wir aufklären müssen.« Sie ist nicht zu erschüttern und hat mir noch mehr zu sagen. »Die Samenflüssigkeit in Susan Pless' Fall stammt nicht von Chandonne. Und jetzt haben wir diese neuen Informationen über Diane Bray. Mein Instinkt sagt mir, dass Chandonne Diane Bray nicht kannte. Nicht persönlich. Auf keinen Fall. Ich glaube, dass er alle seine Opfer nur aus der Ferne kannte. Er beobachtete sie, verfolgte sie und fantasierte über sie. Und das war übrigens auch Bentons Meinung, als er ein Profil in Susans Fall erstellte.«
    »War er der Meinung, dass die Samenflüssigkeit von dem Mann stammte, der sie ermordete?«, frage ich.
    »Er hat nie gedacht, dass mehr als eine Person involviert war«, gesteht Berger zu. »Bis zu den Morden in Richmond suchten wir nach dem gut aussehenden, gut gekleideten Mann, der mit ihr im Lumi aß. Wir suchten definitiv nicht nach einem selbst ernannten Werwolf mit einer genetischen Störung, das taten wir damals mit Sicherheit nicht.«
    Als könnte ich nach all den Geschehnissen gut schlafen. Ich schlafe nicht gut. Ich döse ein und wache auf, nehme hin und wieder den Wecker in die Hand, um nach der Uhrzeit zu sehen. Die Stunden wollen nicht vergehen. Ich träume, ich wäre in meinem Haus und hätte einen kleinen Hund, eine n liebens werten, weiblichen gelben Labrador Retriever mit langen, schweren Ohren, riesigen Füßen und dem süßesten Gesicht. Der Hund erinnert mich an Stoffhunde bei FAO Schwarz, diesem wunderbaren Spielwarengeschäft in New York, wo ich meine Überraschungen für Lucy kaufte, als sie noch ein Kind war. In meinem Traum, in der Geschichte, die ich mir in meinem halb bewussten Zustand ausdenke, spiele ich mit der Hündin, kitzle sie, und sie leckt mir die Hand, wedelt begeistert mit dem Schwanz. Dann gehe ich irgendwie wieder in mein Haus, und es ist dunkel und kalt, niemand ist da, kein Leben, absolute Stille. Ich rufe nach der Hündin - ich habe ihren Namen vergessen - und suche hektisch in jedem Zimmer nach ihr. Ich wache in Annas Gästezimmer auf, weinend, schluchzend, heulend.

33
     
    Es ist Morgen, und Nebelschwaden treiben durch die Luft wie Rauch, als wir über den Bäumen dahinfliegen. Lucy und ich sitzen allein in ihrem neuen Helikopter, Jack ist mit Gliederschmerzen und Schüttelfrost zu Hause geblieben. Ich glaube, dass er seine Krankheit selbst heraufbeschworen hat. Ich glaube, er ist verkatert, und der unerträgliche Stress, den ich über das Institut gebracht habe, hat bei ihm schlechte Gewohnheiten gefördert. Er war mit seinem Leben vollkommen zufrieden. Jetzt ist alles anders.
    Der Bell 407 ist schwarz mit hellen Streifen. Er riecht wie ein neues Auto und bewegt sich durch die Luft mit der glatten Kraft schwerer Seide, während wir in zweihundertsiebzig Meter Höhe Richtung Osten fliegen. Ich konzentriere mich auf die Landkarte auf meinem Schoß und versuche Abbildungen von Stromleitungen, Straßen und Schienen mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was wir sehen. Wir wissen genau, wo wir sind, denn Lucys Helikopter verfügt über fast so viele Navigationsinstrumente wie eine Concorde. Aber wann immer ich mich so fühle wie jetzt, neige ich dazu, mich zwanghaft auf eine Aufgabe zu konzentrieren, egal welche.
    »Zwei Antennen bei neun Uhr.« Ich zeige sie ihr auf der Karte. »Hundertfünfundsiebzig Meter über dem Meeresspiegel. Sollte uns nicht kümmern, aber ich sehe sie noch

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