Das letzte Revier
Landebahn«, sagt sie mehrmals. Schließlich holt sie ihren Mann. Er heißt Marcus und beschreibt mir ein Sojabohnenfeld zwischen ihrem Haus und der Route 5, dort steht auch ein dunkelgrün gestrichener Silo. Es gibt keinen anderen Silo in der Gegend, zumindest keinen dunkelgrünen, fügt er hinzu. Seinetwegen können wir das Feld zur Landung benutzen. Der Rest des Tages zieht sich hin. Ich arbeite im Büro und führe kurze Gespräche mit jedem meiner Mitarbeiter, bevor sie nach Hause gehen. Ich erkläre ihnen, was gerade in meinem Leben passiert, und versichere jedem Einzelnen, dass seine Stelle nicht in Gefahr ist. Ich mache zudem klar, dass ich nichts Unrechtes getan habe und zuversichtlich bin, dass mein Name rehabilitiert wird. Dass ich gekündigt habe, erwähne ich nicht. Sie haben genug Erschütterungen erlebt und können jetzt kein Erdbeben gebrauchen. Ich verlasse mein Büro nur mit meiner Aktentasche, als ob nichts wäre, als würde ich alle wie üblich morgen wieder sehen. Jetzt ist es neun Uhr abends. Ich sitze in Annas Küche, knabbere an einer dicken Scheibe Cheddarkäs e und nippe an einem Glas Rotwein, ich trinke nicht viel, weil ich einen klaren Kopf behalten möchte. Es ist mir nahezu unmöglich, feste Nahrung zu schlucken. Ich habe abgenommen. Ich weiß nicht, wie viel. Ich habe keinen Appetit und gehe regelmäßig vor die Tür, um zu rauchen. Alle halbe Stunde versuche ich vergeblich, Marino anzurufen. Und ich denke über die DLR-Akte nach. Seit wir sie an Weihnachten durchgesehen haben, geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Kurz vor Mitternacht klingelt das Telefon, und ich nehme an, es ist Marino, der endlich zurückruft. »Scarpetta«, melde ich mich.
»Ich bin's, Jaime«, höre ich Bergers unverwechselbare, optimistische Stimme.
Ich schweige überrascht. Aber dann erinnere ich mich: Berger scheint keinerlei Skrupel zu haben, mit Leuten zu plaudern, die sie ins Gefängnis befördern will, zu welcher Uhrzeit auch immer. »Ich habe mit Marino telefoniert«, sagt sie. »Sie kennen also meine Situation. Oder besser gesagt, unsere. Und Sie sollten sich deswegen keine grauen Haare wachsen lassen, Kay. Ich werde Sie nicht instruieren, aber so viel will ich sagen. Sprechen Sie mit der Jury so, wie Sie mit mir gesprochen haben. Und machen Sie sich keine Sorgen.«
»Ich glaube, ich kann mir keine Sorgen mehr machen«, sage ich. »Hauptsächlich rufe ich an, um Sie von bestimmten Dingen in Kenntnis zu setzen. Wir haben die DNS von den Briefmarken. Die Briefmarken aus der DLR-Akte«, sagt sie, als könnte sie wieder einmal meine Gedanken lesen. Die Labors in Richmond arbeiten also direkt mit ihr zusammen. »Wie es scheint, hatte Diane Bray überall ihre Finger drin, Kay. Zumindest hat sie die Briefmarken abgeleckt, und ich nehme an, sie hat auch die Briefe geschrieben und war schlau genug, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Die Fingerabdrücke, die wir gefunden haben, stammen von Benton. Wahrscheinlich, als er die Briefe öffnete. Vermutlich hat er gewusst, dass es seine Abdrücke sind. Ich weiß nicht, warum er das nirgends notier t hat. Ich frage mich, ob Benton Bray Ihnen gegenüber erwähnte. Gibt es Grund zu der Annahme, dass sie sich kannten?«
»Ich erinnere mich nicht, dass er jemals von ihr gesprochen hätte«, erwidere ich. Ich bin völlig blockiert. Ich kann nicht glauben, was Berger mir gerade erzählt hat.
»Jedenfalls hätte er sie kennen können«, fährt Berger fort. »Sie war in D.C. Er war in Quantico. Ich weiß nicht. Was mich wundert ist, dass sie ihm diese Briefe geschickt hat, und ich frage mich, ob sie die Briefe aus New York abschicken ließ, damit er glaubte, sie kämen von Carrie Grethen.«
»Und wir wissen, dass er das glaubte«, sage ich. »Dann müssen wir uns auch fragen, ob Bray möglicherweise - nur möglicherweise - etwas mit seiner Ermordung zu tun hatte«, fügt Berger hinzu.
Mir geht blitzartig durch den Sinn, dass Berger mich womöglich wieder testet. Worauf hofft sie? Dass ich mit etwas herausplatze, etwas Belastendes von mir gebe? Gut. Bray hat bekommen, was sie verdient? Aber wer weiß. Vielleicht macht sich auch nur meine Paranoia bemerkbar und nicht die Wirklichkeit. Vielleicht sagt Berger nur, was sie denkt, und nichts weiter. »Sie hat Benton Ihnen gegenüber nie erwähnt?«, fragt sie.
»Nicht, dass ich mich erinnere«, sage ich. »Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Bray je ein Wort über Benton verloren hätte.«
»Was ich nicht verstehe«,
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