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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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man mit ihm nur schwer zusammenarbeiten konnte. Der Erste sah, wie die Männer an den Taljen schufteten, um Kästen und Ballen aus den Leichtern in die
Black Prince
zu hieven.
    Nun, jetzt war er der Erste Offizier – und zwar auf einem der neuesten und kampfstärksten Dreidecker der Marine. Mit einem Admiral wie Sir Richard Bolitho und einem Kommandanten wie Kapitän Keen würde niemand sie aufhalten, wenn sie erst einmal auf See waren. Beförderungen, Prisengelder, Ruhm – das alles lockte ihn. So ist das Leben im Krieg, dachte er. Wenn man dir den Posten eines gefallenen Offiziers anbietet, darfst du nicht zögern.
    Laut befahl Keen: »Sagen Sie meinem Bootssteuer, er soll die Barkasse vorbereiten und zu sechs Glasen seine Bootsgasten sammeln. Inspizieren Sie sie gründlich, obwohl ich kaum glaube, daß Tojohns etwas dem Zufall überlassen wird.«
    Wieder blickte er auf das offene Logbuch und den Midshipman der Wache, der etwas darin eintrug. Das erinnerte ihn an ein anderes Bild: Tojohns, sein Bootssteurer, hatte am Hochzeitstag die Midshipmen und die Unteroffiziere des Schiffes zum Ziehen der Hochzeitskutsche eingeteilt, in der Keen und seine Braut saßen.
    Er drehte sich um und suchte unter der Poop einen Platz, an dem er mit seinen Gedanken allein sein konnte.
    Sedgemore beobachtete ihn und rieb sich das Kinn. Ein Vollkapitän und Kommandant eines Schiffes wie der
Black Prince
zu sein … Mehr wollte er im Leben nicht erreichen.
    Er entdeckte den Midshipman, der ihn anstarrte, und fuhr ihn an: »Mr. M’Innes, Sie sollten Ihre Zeit nicht vergeuden, Sir!«
    Solches Anbrüllen war natürlich unnötig. Aber er fühlte sich wohl dabei und genoß seine Rolle als Erster Offizier.
    Leutnant Stephen Jenour hielt den Atem an, als er an den Stufen zum Anlegesteg vorbeischritt. Nach zwei Monaten auf dem Trocknen fühlte er sich wieder unsicher angesichts der See. Er hatte an Land für Vizeadmiral Bolitho gearbeitet und zwischendurch seine Eltern in Southampton besucht.
    Er drückte die Tür zum »George Inn« auf und blickte in ein loderndes Feuer, das von der fernen Seite des Raums Wärme herüberschickte.
    Kühl fragte ein uniformierter Diener: »Ihr Name, Sir?«
    »Jenour.« Und dann schärfer: »Flaggoffizier von Sir Richard Bolitho!«
    Der Mann verschwand mit einem Bückling, murmelte etwas von einem wärmenden Drink, und Jenour war stolz darauf, daß andere ihn sofort respektierten.
    »Willkommen, Stephen!« Bolitho saß in einem großen Sessel, der Feuerschein brach sich im Gold der Litzen und der Schulterstücke seiner Uniform. »Wir haben noch ein bißchen Zeit.«
    Jenour setzte sich und lächelte. Wie hatte sich doch sein Leben verändert seit seinem Treffen mit Bolitho! Seine Eltern hatten ihn ausgelacht, als er schwor, eines Tages würde er dem Mann dienen, der bis drei Jahre vor Nelsons Tod bei Trafalgar der zweitjüngste Admiral der Royal Navy gewesen war. Und nun war er der jüngste.
    Jenour erinnerte sich an alle Einzelheiten, auch an den Augenblick, als die
Black Prince
Kopenhagen verlassen hatte, um Herrick zu finden. Bolitho hatte sich zu ihm umgedreht und seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, als er bekannte: »Ich verliere meine Sehkraft, Stephen. Können Sie das Geheimnis für sich behalten? Niemand sonst darf es erfahren. Da draußen braucht man uns jetzt!«
    Jenour nippte an dem heißen Drink und schmeckte Brandy und Gewürze; seine Augen wurden feucht, doch das lag mehr an den Erinnerungen. Er war einer der wenigen, die wußten, wie schlimm es um Bolithos linkes Auge stand. Daß der Vizeadmiral ihn an einem solchen Geheimnis teilhaben ließ, war ein größerer Vertrauensbeweis, als er ihn je für möglich gehalten hätte.
    Bolitho stellte sein leeres Punschglas ab und dachte an Catherine, glaubte immer noch die Wärme ihres Körpers in seinen Armen zu fühlen. Erst an diesem Morgen hatten sie sich getrennt. Sie war jetzt auf dem Weg nach London, in ihr Haus im Stadtteil Chelsea, das sie kürzlich gekauft hatten.
    »Unsere geheime Höhle« hatte sie es genannt; es bot ihr Unterschlupf, wenn ihre Anwesenheit in der Hauptstadt vonnöten war.
    Bolitho fühlte sich seltsam allein ohne Allday, seinen Bootssteurer – »seine Eiche«, wie er ihn gern nannte; seltsam allein auch ohne Yovell, seinen Sekretär, und ohne Ozzard, seinen schmächtigen Steward. Alle drei begleiteten Lady Catherine in der Kutsche nach London, und Bolitho beruhigte der Gedanke, daß Catherine von so verläßlichen

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