Das letzte Sakrament
herein. »Schneller ging’s leider nicht«, sagte sie außer Atem. »Was ist los?«
»Hallo, Tamara«, antwortete Deckert und bot ihr einen Stuhl an.
»Danke.« Sie setzte sich und sah Deckert erwartungsvoll an.
Die beiden sind schon per du , fiel Pandera auf. Hätte ich ihr das nicht schon längst anbieten sollen? Außer Edeling duzt hier schließlich jeder jeden.
»Ich kläre ihn gerade ein wenig über die Jesuiten auf«, sagte Deckert. »Ich habe ihm eben erzählt, dass die Jesuiten in der Schweiz lange Zeit verboten waren. Selbst der Papst hat die Tätigkeit des Ordens früher einmal untersagt.« Deckert räusperte sich. »Natürlich nur für eine paar Jahrzehnte. Doch nach der Wiederzulassung im neunzehnten Jahrhundert wuchs der Jesuitenorden genauso schnell wieder zur alten Größe heran, wie er zuvor verschwunden war. Und weshalb?« Er machte eine Pause und blickte von Pandera zu Tamara Aerni. »Weil die Jesuiten gewohnt sind, im Verborgenen zu operieren!«
»Ich denke, du bist selbst katholisch?«, fragte Pandera.
»Ich bin nicht katholisch!«, antwortete Deckert. »Ich bin christkatholisch ! Das ist ein himmelweiter Unterschied! Wir erkennen zum Beispiel die Unfehlbarkeit des Papstes nicht an, während die Jesuiten einen Eid auf ihn schwören! Wir glauben auch nicht an die Unbefleckte Empfängnis, wir kennen kein Zölibat, und bei uns können auch Frauen Priester werden! Wir …«
»Schon gut!« Pandera winkte ab. »Klingt ja wie ein moderner Laden.«
»Finde ich auch«, sagte Tamara Aerni.
»Fast so cool wie Voodoo.«
»Voodoo?«, fragte Pandera. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Wieso? Voodoo ist in Haiti Staatsreligion.«
»Ihr habt beide so viel Ahnung von unserer Kirche, wie ein Topflappen vom Kochen«, entgegnete Deckert. »Wir Christkatholiken führen das weiter, was vor dem Ersten Vatikanischen Konzil für die ganze katholische Kirche gültig war. Daher nennt man uns auch altkatholisch.«
»Danke für die Lektion«, sagte Pandera. »Aber abgesehen davon, dass der Bischof, sein Vikar und das Opfer Jesuiten sind – was hältst du von der Geschichte?«
»Dass Obrist wegen des Grabtuchs umgebracht worden ist?« Deckert schüttelte den Kopf. »Was soll das denn für einen Sinn ergeben?«
»Wenn SEQUENZA 46 das Grabtuch untersucht hat, dann wollte vielleicht jemand die Ergebnisse stehlen«, sagte Pandera. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie brisant sind.«
»Kann sein«, antwortete Deckert, doch er klang nicht überzeugt. »Wissenschaftler, Halbwissenschaftler und Laien streiten schon seit Jahren über die Echtheit des Tuchs. Und sie werden weiter streiten, egal, was die Untersuchungen ergeben haben. Glauben und Wissenschaft sind eben zwei grundverschiedene Dinge.«
»Und was sagt der Papst dazu?«, fragte Pandera.
»Der hält sich raus und meint, die Kirche müsse sich zu dem Tuch nicht offiziell äußern. Benedikt XVI. hat hingegen von einer mit Blut gemalten Ikone gesprochen, als er das Tuch im Frühjahr 2010 besucht hat. Mehr als zwei Millionen Menschen sind damals in den Dom von Turin gepilgert, um es zu besichtigen.«
»Warst du auch dort?«, fragte Tamara Aerni.
Deckert nickte zaghaft, als sei es ihm peinlich. »Es war mehr aus forensischem Interesse.«
»Und wie ist deine Meinung zu dem Tuch?«, fragte sie.
»Viel konnte ich damals nicht sehen, deshalb hab ich vorhin mein Wissen ein wenig aufgefrischt.«
Pandera war perplex. Deckert wich normalerweise jeglicher Form von Arbeit instinktiv aus. Das Thema schien ihn wirklich zu interessieren.
»Angeblich gab es die Blutgruppe AB, die man Jesus aufgrund der Analyse des Grabtuchs zugeschrieben hatte, damals in Judäa noch gar nicht«, erklärte Deckert. »Aber es ist ohnehin umstritten, ob auf dem Grabtuch wirklich Blut zu finden ist. Außerdem haben die letzten offiziellen Untersuchungen ergeben, dass das Tuch sehr wahrscheinlich aus dem Mittelalter stammt.«
»Und was glaubst du?«, hakte Tamara Aerni nach.
»Dass es eine Fälschung ist«, antwortete Deckert. »Wenn auch eine gute.«
»Und du bist trotzdem in Turin gewesen, um es anzusehen«, warf Pandera ein.
»Du warst doch letztens in Disneyland«, sagte Deckert. »Aber du hast sicher nicht erwartet, dort Micky Maus zu treffen, oder?«
»Eins zu null für dich.« Pandera grinste. »Aber weshalb bist du sicher, dass es eine Fälschung ist?«
Tamara Aernis Handy klingelte. »Das ist der Richter«, sagte sie und nahm das Gespräch an.
»Richter?«, flüsterte
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