Das letzte Sakrament
er noch jung, gerade mal dreißig, wie sie gelesen hatte, und er sah gut aus. Doch er war ihr gegenüber irgendwie verschlossen. Vielleicht brauchte er Zeit, um mit anderen Menschen warm zu werden. Schließlich waren sie beide neu in Basel, und waren Außenseiter, das schweißte doch zusammen, oder? Sie beschloss, ihm Zeit zu lassen. Wer weiß , dachte sie, wenn es dazu dient, dass wir irgendwann ein richtig gutes Team sind?
Tamara Aerni parkte ihren Mini auf dem Kundenparkplatz, der bis auf einen Bentley leer stand. Darin saß ein Chauffeur im Anzug. Tamara Aerni schaute an sich hinunter. Mit Jeans und Poloshirt war sie für dieses Geldinstitut wahrscheinlich nicht passend gekleidet. Was soll’s , dachte sie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, schließlich will ich hier kein Konto eröffnen .
Sie nahm ihre Tasche und ging zur Bank. Obwohl diese geöffnet hatte, war die hölzerne Eingangstür verschlossen. Kein Wunder, das Ding heißt schließlich Bank Privé . Sie klingelte an der Tür, wartete einen Moment und klingelte ein zweites Mal.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte eine männliche Stimme, die aus einer Sprechanlage kam. Direkt darüber befanden sich ein Zahlenterminal und eine Überwachungskamera.
»Ich würde gerne mit Herrn Siegentaler sprechen«, antwortete Tamara Aerni.
»Haben Sie einen Termin?«
»Ich glaube, den brauche ich nicht«, antwortete sie und hielt ihren Polizeiausweis vor die Überwachungskamera.
Die Tür klackte auf, und Tamara Aerni betrat den Empfangsraum der Bank. Mit seinem Marmorboden und dem Empfangstresen aus Walnussholz erinnerte er an ein Luxushotel.
Ein junger Mann in dezentem schwarzem Anzug kam auf sie zu. »Würden Sie bitte einen Moment warten?« Er zeigte auf eine dunkelrote Couch im Biedermeier-Stil.
»Wenn es nur ein Moment ist«, antwortete sie und lächelte verbindlich.
»Natürlich«, entgegnete er. »Ich werde Herrn Siegentaler umgehend informieren.«
Tamara Aerni setze sich auf die Couch und betrachtete die auf einem Tisch daneben ausliegenden Magazine. »So machen sie Ihre zweite Million!«, stand groß auf dem ganz oben liegenden. Ich könnte eher Hilfe bei der ersten benötigen , dachte sie, nahm das Magazin und blätterte darin. Oder wenigstens dabei, mein Konto auf Null zu bringen.
Wenige Minuten später kam der Bankangestellte zurück und riss sie aus ihren Gedanken. »Würden Sie bitte mitkommen?«
Sie nickte, stand auf und wollte das Magazin wieder zurücklegen.
»Das können Sie gerne behalten«, sagte er mit einstudierter Großzügigkeit.
»Danke«, antwortete sie, obwohl sie gar nicht wusste, was sie mit dem Heft sollte. Sie folgte dem Mitarbeiter in den Lift und fuhr mit ihm in den dritten Stock. An den Wänden des breiten Flurs hingen einige Ölgemälde, die anscheinend so wertvoll waren, dass man sie mit einem Alarmdraht sicherte. Selbst hier gab es also Kunden, die nur beschränktes Vertrauen genossen.
»Da wären wir«, sagte der Angestellte. Er klopfte an eine der vielen Türen und öffnete sie.
»Frau Aerni ist hier.«
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch und stand auf. »Mein Name ist Siegentaler.« Er streckte die Hand aus. »Danke, Sie können gehen«, sagte er zu dem Angestellten, der sich sofort entfernte.
Tamara Aerni ging auf Siegentaler zu und schüttelte ihm die Hand. Dann setzte sie sich auf den Besucherstuhl, das Magazin legte sie über ihre Jeans.
»Möchten Sie einen Espresso?«, fragte Siegentaler. »Oder lieber einen Cappuccino?«
»Danke«, antwortete Tamara Aerni. »Ich würde gerne direkt zur Sache kommen.«
»Das ist mir sehr recht«, sagte Siegentaler. »Wenngleich ich Ihren Besuch nicht ganz verstehe. Ich habe Ihnen doch schon am Telefon gesagt, dass wir die Kontodaten unseres Kunden nicht so ohne Weiteres herausgeben können.« Er ging zu einem offenen Schrank, goss sich einen Espresso ein und setzte sich wieder. »In der Schweiz gilt immer noch das Bankgeheimnis.«
»Das ist mir bekannt«, antwortete Tamara Aerni. Sie öffnete ihre Tasche, nahm ein Blatt Papier heraus und reichte es Siegentaler. »Aus diesem Grund habe ich eine richterliche Anordnung dabei.«
9
Beat Deckert machte sich gerade daran, in seinen dritten Hamburger zu beißen, als Pandera die beiden Kollegen von der Sitte entdeckte. Sie saßen zwei Tische weiter. »Wir stecken mitten in den Ermittlungen«, flüsterte Pandera Deckert zu. »Wir können hier nicht stundenlang
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