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Das letzte Zeichen (German Edition)

Das letzte Zeichen (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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vom Schreien und sie ist jetzt still. Sie merkt noch, wie ihr Kopf nach vorn sinkt, wie ihr die Augen zufallen. Sie will schlafen. Doch sie zwingt sich, die Augen wieder zu öffnen. Sie darf jetzt nicht schlafen – sie weiß es.
    Eine Tür geht auf und Licht fällt herein. Als die Tür sich hinter ihnen schließt, ist sie von einer erstickenden Wärme umhüllt. Sie wird abgesetzt, sie sitzt auf einem Stuhl. Leute sehen sie an, eine Menge Leute, sie weiß nicht, wie viele. Sie starren sie an, schieben sich vorwärts. Sie sieht die Menschen nicht an. Sie sieht auf ihre Füße; das hat sie sich angewöhnt. Nur Blickkontakt aufnehmen, wenn man weiß, was vor sich geht, wenn man sich sicher fühlt. Sie hat schon viel Gewalt mitangesehen; sie hat gesehen, wie Menschen vor ihren Augen getötet wurden, hat gesehen, wie Wilde das Fleisch von toten Menschen gegessen haben. Ihre Eltern haben ihr gesagt, sie hätte sich das nur eingebildet, aber sie ist sehr verständig für ihr Alter. Sie weiß Bescheid.
    »Delphine, Ralph«, ruft ein Mann. »Kommt ihr bitte mit?« Ein Paar löst sich aus der Menge und geht auf ihn zu. Sie reden im Flüsterton miteinander. Dann kommen sie zu Evie.
    »Evangeline?« Der Mann spricht als Erster. Er geht vor ihr in die Hocke. »Evangeline, ich bin so froh, dass du hier bist. Ich bin dein Vater. Und das hier ist deine Mutter. Wir haben auf dich gewartet.«
    Evie ist erschrocken. Sie war auf einiges gefasst, aber nicht auf das. Sie bricht ihre Regel und sieht auf. Sieht ihnen in die Augen.
    »Mein Vater«, sagt sie. »Mein Vater ist …« Sie weiß nicht, wie sie den Satz beenden soll, weiß nicht, wo ihr Vater ist.
    »Ich bin dein Vater, Evangeline«, sagt der Mann sanft, aber bestimmt. »Der Mann, mit dem du gekommen bist, um den kümmert man sich. Er braucht unsere Hilfe, und du willst doch, dass wir ihm helfen, oder? Du willst, dass wir allen Menschen helfen, die mit dir gekommen sind.«
    Sie nickt. Die Wärme dringt ihr bis in die Knochen, sie ist berauschend. Schon lange ist ihr nicht mehr so warm gewesen.
    »Hast du Hunger, Evie? Sollen wir etwas essen gehen?«
    Dieses Mal hat die Frau gesprochen; ihr Blick ist forschend und macht Evie verlegen. Evie nickt wieder. Die Frau sieht erfreut aus. Sie streckt die Hand aus, und Evie nimmt sie.
    »Gut«, sagt der Mann, der sie hereingetragen hat. »Gut. Jetzt wartet bitte hier. Da sind noch mehr. Bitte habt Geduld …«
    Evie erwachte und blickte sich um. Sie lag in einem ziemlich kleinen Zelt mit cremefarbenen Wänden und Zeltdach, auf einer Matratze mit Baumwolllaken. Neben ihr lag Raffy, immer noch in tiefem Schlaf, und gab mit seinen gleichmäßigen Atemzügen einen ruhigen Rhythmus vor. Sie waren allein. Seit sie hier angekommen waren, war nicht mehr die Rede gewesen von Gefangenschaft, keine Fesseln mehr, keine Drohungen. Und doch hatte Evie jetzt mehr Angst als je zuvor – nicht um sich selbst. Seit sie die Wahrheit über ihre Vergangenheit erfahren hatte, sorgte sie sich kaum mehr um ihre Zukunft. Sondern um die anderen … Raffy, Lucas …
    »Morgen.« Raffy schlug die Augen auf, mit dem gewohnten schiefen Grinsen im Gesicht, sodass Evie unwillkürlich lachen musste. Mit diesem Grinsen war sie jahrelang in ihrem Baum begrüßt worden, dieses Grinsen hatte sie, so kam es ihr vor, fast ihr ganzes Leben lang beruhigt, getröstet und geneckt. Raffy war das einzig Beständige gewesen, der Einzige, auf den sie sich verlassen, mit dem sie offen sprechen und dem sie sich anvertrauen konnte. Doch jetzt, hier, jenseits der Stadtmauer, wo sie sein konnten, wer sie wollten … Da fühlte es sich irgendwie anders an.
    »Schau«, sagte er und lächelte. »Wir sind ganz allein.«
    Er packte sie, zog sie an sich und schlang die Arme um sie. Doch sie drehte den Kopf weg, sodass sein Gesicht ihren Nacken berührte anstatt …
    Anstatt ihre Lippen?
    Sie runzelte die Stirn. Früher, in der Stadt, da hatten sie sich die ganze Zeit geküsst. Küsse, die voller Hoffnung waren, voller Verzweiflung und Sehnsucht. Küsse, die sie miteinander verbanden, selbst wenn sie auseinandergerissen wurden. Küsse, die von ihrem Zusammenhalt sprachen, von ihrem festen Glauben aneinander und von ihrem Aufbegehren gegen das Leben, das ihnen vorgeschrieben war.
    Aber seit sie hier waren, seit sie in Base Camp angekommen waren, hatten ihre Lippen sich noch nicht einmal flüchtig gestreift.
    Evie wusste, dass das nicht Raffys Schuld war; dass nicht er im letzten Moment den Kopf

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