Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
Vom Netzwerk:
Händen hielt. »Und Probleme . Es geht auch um Quinn.«
    Sie musste nichts weiter erklären. Quinns Isolation quälte Matt, der als Junge ebenfalls ausgegrenzt worden war – als das Kind mit der billigen Kleidung; das Kind, das ein kostenloses Schulmittagessen bekam; das Kind, das nicht beim Sport mitmachen konnte, weil es arbeiten musste. Aber sein Anderssein hatte Matt abgehärtet. Bei seinem Sohn war das nicht so.
    »Wir wissen nicht, ob der Kampf, in den er an der Bushaltestelle hineingeraten ist, der erste oder der zehnte war. Sicher, das war das erste Mal, dass es einen physischen Beweis dafür gab, dass er schikaniert wurde, aber …« Susannahs Stimme erstarb. »Und Katie …«
    Matt sah sie an: »Es ist fast so, als wolltest du das«, sagte er. »Damit du einen Grund hast zu gehen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte sie.
    »Nichts«, erwiderte er. Er nahm einen Baseball von Quinn vom Wohnzimmertisch und starrte ihn an, während er ihn unablässig in seinen Händen drehte.
    Aber sie wusste Bescheid. Ihre Mühen mit beiden Kindern im vergangenen Jahr hatten Diskrepanzen in ihrer Ehe offenbart, die sie nie vermutet hätte. Es war, als hätte man ein Rollo hochsausen lassen, woraufhin ein jähes grelles Licht einfiel, in dem die Mängel von etwas sichtbar wurden, das im Halbdunkel noch jung und schön erschienen war. Jede neue Krise vermittelte Susannah das Gefühl, weiter und weiter ins Chaos zu schlingern, während sie verzweifelt versuchte, das nette, vorsichtige Leben, das sie für ihre Familie aufgebaut hatte, wiederherzustellen. Und Matt, der pragmatische, wissenschaftlich denkende Problemlöser, verstand das nicht.
    Im Lauf der vergangenen sechs Monate hatte Matt immer länger und länger gearbeitet, sodass Susannah häufig damit alleingelassen war, Katie hinterherzutelefonieren, wenn sie nicht pünktlich nach Hause kam, oder mit Quinn über die Unwahrscheinlichkeit zu diskutieren, durch ein Sandwich in der Schulcafeteria eine Hepatitis zu bekommen. Mindestens ein Mal die Woche brüllten sie und Katie einander an, und Katie begann, sie mit denselben Schimpfwörtern zu bedenken, die Susannah schon von ihrem Vater zu hören bekommen hatte: Idiotin, Schwachkopf, Depp. Und wie sehr sie sich auch in Erinnerung zu rufen suchte, dass sie die Erwachsene war, so rief Katies Wut doch etwas tief Verborgenes in ihr wach, das sie nicht ertrug.
    Sie wollte, dass Matt käme und sie beschützte. Aber wenn Matt nach Hause kam, wollte er ein friedvolles, glückliches Heim vorfinden. Sie waren wie zwei Stücke eines Puzzles, die nicht recht zusammenpassten.
    »Ich muss es versuchen«, sagte sie zu Matt.
    »Das musst du wohl«, erwiderte er, ohne sie anzusehen.
    »Nicht nur für Katie und Quinn«, sagte sie und streckte ihre Hand nach seinem Knie aus. »Auch für mich. Ich muss für eine Weile weggehen; wieder auf dem Meer sein. Vielleicht ist es das, was ich brauche, um ein für alle Mal darüber hinwegzukommen.«
    Darüber . Sie brauchte es nicht näher auszuführen. Dreiunddreißig Jahre lang lebte sie nun mit dem, was am Tag des Unfalls geschehen war. Sie kannte die Ursache – eine komplexe Kombination aus der Trinkerei ihres Vaters, dem Unvermögen ihrer Mutter, ihre Kinder zu beschützen, sowie dem launischen Wechselspiel aus Wind, Wetter und Strömung. Dennoch war sie bisher noch nicht imstande gewesen, wieder an Bord eines Bootes zu gehen, ihrer Mutter zu vergeben oder ihre eigene übertriebene Fürsorglichkeit gegenüber ihren Kindern zu kontrollieren. Es war Kräfte zehrend.
    Schließlich sah Matt, der einzige Mensch außer ihrem Vater und ihrem Bruder, der ganz genau wusste, was an jenem Tag geschehen war, sie mit seinen tiefblauen Augen, die die Farbe von Gletschereis hatten, an und sagte: »Vielleicht solltest du tatsächlich gehen.«
    Am nächsten Tag stieß sie auf Bettys Anzeige und rief bei ihr an, bevor ihr Mut sie wieder verließ. Aber das Bild von Matt, der allein in der Flughafenhalle stand und ihnen hinterherwinkte, während sie durch die Sicherheitsschleuse verschwanden, verfolgte sie.
    Jim drosselte den Motor, weil der Wellengang stärker wurde. »Ein bisschen rau heute«, meinte er.
    Susannah spürte, wie die Angst in ihr mit dem Seegang stieg. Nicht daran denken.
    »Wie lange leben Sie schon auf Sounder?«, fragte sie ihn.
    »Den größten Teil meines Lebens«, antwortete Jim. »Ich hab’s zuvor an ein paar anderen Orten versucht. Eine Zeit lang hab’ ich in Kalifornien gearbeitet. Und ein

Weitere Kostenlose Bücher