Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Brief aus der Handtasche zu kramen und ihn anzurufen.
»Dr. Cooper? Hier spricht Julie Reagan. Sie haben meiner Mutter geschrieben, wegen meiner Großtante Bette …«
»Ja, genau. Wie schön, so schnell von Ihnen zu hören. Wenn man dem Buch glauben darf, scheint Ihre Tante ja eine ganz bemerkenswerte Frau gewesen zu sein. Ich würde wirklich gern mehr über sie erfahren. Darf ich fragen, ob sie noch lebt?«
»Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Es würde mich wundern, denn dann wäre sie steinalt. Sie war zwar die Schwester meiner Großmutter, aber leider hatten die beiden sich so sehr entfremdet, dass ich gar nichts über sie weiß und meine Mutter sich kaum an sie erinnern kann. Deshalb waren wir so überrascht, von ihrem Buch zu hören. Wo kann man denn ein Exemplar bekommen?«
»Das dürfte schwierig werden. Ich kannte den Titel und habe über ein Jahr im Netz danach gesucht. Und dann habe ich es zu meiner großen Freude im Buchladen des Sarawak-Museums in Kuching entdeckt. Aber Sie dürfen sich gern mein Exemplar ausleihen. Es ist nur ein dünnes Bändchen, aber sehr aufschlussreich.«
»Ja, das würde ich gern. Darf ich fragen, wie Sie meine Mutter aufgespürt haben?«
»Das war nicht schwer. Vorn im Buch steht eine Widmung: Für Philip Elliott auf der Plantage Utopia in Malaysia. Ich habe mit der Plantage Kontakt aufgenommen, sie ist recht bekannt und wird von seinen Söhnen Shane und Peter, Ihren Cousins, geführt. Sie haben mir die Adresse Ihrer Mutter gegeben. Offenbar haben sie Ihre Mutter nie kennengelernt«, setzte er hinzu.
»Ja, das stimmt«, erwiderte Julie. »Meine Großmutter und meine Mutter sind nach dem Krieg nach Brisbane zurückgekehrt, aber Onkel Philip ist mit meinem Großvater in Malaysia auf der Plantage geblieben. Daher hat meine Mutter den größten Teil ihres Lebens hier verbracht und wird Ihnen wohl leider keine große Hilfe sein.«
»Danke trotzdem, dass Sie mich angerufen haben. Meine E-Mail-Adresse steht im Briefkopf. Nur für den Fall, dass Ihnen etwas unterkommt oder Ihrer Mutter noch etwas einfällt«, meinte David.
»Das glaube ich kaum. Wie gesagt, meine Mutter hat Malaya schon in sehr jungen Jahren verlassen und mit ihren dortigen Angehörigen fast keinen Kontakt. Sie haben sich höchstens mal zum Geburtstag oder zu Weihnachten Karten geschrieben.«
»Wie schade. Mir gefällt Malaysia so gut, dass ich ständig nach Gründen suche, wieder hinzufahren.«
»Forschen Sie auch über die Kopfjäger?«, fragte Julie. Die Stimme des Mannes klang ziemlich jung, und sie stellte ihn sich ein bisschen spießig vor.
Er lachte leise und antwortete dann: »Ja, ich habe insbesondere eine ganze Menge über die Iban geforscht. Borneo ist faszinierend. Und ich habe etliche Orang-Utans in einem Schutzgebiet adoptiert. Ihr Lebensraum ist ebenso gefährdet wie der der Ureinwohner. Beides nehme ich zum Anlass, so oft wie möglich hinzufahren. Falls Sie einmal nach Borneo reisen wollen, sagen Sie mir Bescheid, dann gebe ich Ihnen ein paar Tipps und Adressen.«
»Danke, aber momentan steht das nicht an. Viel Glück bei Ihren Forschungen.«
»Herzlichen Dank … Julie, oder?«
»Ja. Und ich würde mir das Buch wirklich gern ausleihen.«
»Natürlich. Wie ist Ihre Adresse? Und haben Sie E-Mail?«
Sie diktierte ihm beides. »Auf Wiederhören, Dr. Cooper.«
»Bitte nennen Sie mich David. Auf Wiederhören, Julie.«
Sie legte auf und hoffte, dass er nicht vergessen würde, ihr das Buch ihrer Großtante zu schicken. Bette Oldham fing an, sie zu interessieren.
Als Julie am nächsten Samstag bei ihren Eltern reinschneite, entdeckte sie ihre Mutter im Nähzimmer, wo sie neben einer Schachtel, einer Akte mit Eselsohren und einem Stapel Fotoalben auf dem Boden saß. Ursprünglich war es wirklich das Nähzimmer ihrer Urgroßmutter gewesen, aber Margaret und dann Caroline, die beide nicht nähten, benutzten es als Abstellkammer, als Bibliothek und für sonstige Zwecke.
»Was machst du da?«
»Hallo, Jules, Komm, setz dich zu mir. Das hier ist ziemlich interessant.« Caroline sprach laut, um den dröhnenden Rasenmäher ihres Mannes draußen zu übertönen. »Du weißt ja, dass ich nicht der Typ bin, der in der Vergangenheit wühlt, aber der Brief von diesem David Cooper hat mich nachdenklich gemacht. Ich erinnere mich nur an so wenig von der Familienplantage in Malaysia. Da standen ein paar Stühle unter einem riesigen Regenbaum, und Mutter hat auf einem weißen Korbtisch Tee serviert,
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