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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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ihrem Zimmer ist, dann schauen Sie mal links den Flur runter. Wahrscheinlich ist sie vorne im Untersuchungszimmer bei Dr. Ferguson. Der hat Nachtschicht.“
    „Ferguson? Hm, gut“, entgegnete Daniel, um irgendwas zu sagen. Einen Moment zögerte er. Sollte er Alva wirklich im Untersuchungszimmer stören? Er wollte nicht wie ein Gaffer erscheinen, aber er wollte sie auch nicht im Stich lassen. Vielleicht brauchte sie seine Unterstützung. Daniel fand es beunruhigend, dass Alva schon über eine Stunde untersucht wurde.
    Doch so, wie er sie kannte, würde sie ihm die Tür vor der Nase zuknallen.
    „Herzlichen Dank.“ Daniel verabschiedete sich und humpelte zur Tür.
    „Sie haben meine Handynummer?“, rief der Mann ihm nach. „Wenn was ist, rufen Sie durch. Ja?“
    „Natürlich.“ Daniel winkte kurz.
    „Und nicht so viel trinken.“
    Die letzten Worte des Pflegers gingen im Heulen des Winds unter, als Daniel die Barackentür aufzog und in den Schnee trat. Es fiel ihm nicht leicht, auf seinen Skistock gestützt den matschigen Weg Richtung Hafen hinunterzugehen – vor allem nicht, weil er die ganze Zeit über den Laptop unter seiner Jacke an seine Brust gedrückt hielt.
     
    Der Pier von McMurdo war eine Insel aus planiertem Eis und Geröll. Mehrere Sattelschlepper und umgebaute Pickups, die statt Rädern Ketten besaßen, waren bereits für das Einlaufen des Frachtschiffs am Wasser geparkt worden. Große Krananlagen wie in echten Containerhäfen gab es in MacTown nicht. Hier war die Technik rudimentär, schlicht, klobig und oftmals stammte sie noch aus den 60er- und 70er-Jahren. Dafür konnten die alten Schlepper, Kranwagen und Bagger jederzeit mit einfachsten Mitteln repariert werden. Obwohl es schon spät war, wurden noch immer Container gestapelt und sortiert. Zwischen Pfützen aus Schneematsch standen Reihen von 40-Fuß-Containern auf einem Platz voll schwarzem Geröll. Im Licht der Industriestrahler konnte Daniel die Beschriftungen erkennen: Cosco, Hapag Lloyd, Yang Ming.
    So schnell es sein Bein zuließ, humpelte er an ihnen vorbei und zu einer kleinen Halle, die einige Meter vom Pier entfernt am Wasser stand. Eiszapfen, größer als Daniel selbst, hatten die Regenrinne zerstört und ließen den Bretterbau aus Holz wie das aufgerissene Maul eines Dinosauriers erscheinen.
    Daniels Bein schmerzte und seine rechte Hand, mit der er sich auf den Stock stützte, fühlte sich bereits taub an. Er lehnte sich an ein Kettenfahrzeug und blickte sich um. Hinter einem mit Maschendraht abgezäunten Areal konnte er vier Paletten erkennen, auf denen Transportkisten aus Hartplastik standen, die durch mehrere Haltegurte gut gegen Unfälle gesichert waren. Daniel raffte sich auf und trat an den Zaun, um die Beschriftungen zu entziffern:
    Caution / Handle with Care / Endurance V3 / Prototyp / StoneAerospaces / Caution …
    Bingo, dachte er und wischte sich den Schnee aus dem Bart. Er atmete innerlich auf. Sicherlich waren die Paletten bereits zur Verladung hierher gebracht worden. Einen der Roboter für ein paar Tage auszuleihen, würde zwar auffallen – aber erst in Neuseeland oder wo auch immer sie die Roboter zum Kabelverlegen einsetzten. Da er dafür sorgen wollte, dass die Frachtpapiere stimmten, würde es ein ewiges Theater um den fehlenden Roboter geben.
    Trotz der Schmerzen in seinem Bein und seiner bleiernen Müdigkeit musste Daniel lächeln. Sein Plan war simpel und genial. Statt durch das Tor einzubrechen und heimlich eine Palette aufzuladen, würden die Hafenarbeiter von MacTown ihm beim Ausleihen helfen und ihm den Endurance freiwillig in den Helikopter schieben.
    Daniel sah sich um und entdeckte einige Schritte weiter genau das, was er jetzt brauchte: ein stilles Örtchen. Ein Plastikklohäuschen, das zwischen mannshohen Kabeltrommeln aufgebaut worden war. Wenig später ging Daniel wieder am Eiszapfenmaul vorbei und zurück zur Lagerhalle.
    In Stahlregalen stapelte sich Werkzeug neben Essensvorräten und Baustoffen. Ein Haufen Kisten türmte sich vor Big-Packs bis zur Decke. Daniel humpelte an zwei Gabelstaplern vorbei zu einem Kabuff, das mit Plexiglasscheiben verkleidet war. Drinnen saß eine Frau um die fünfzig, die eine Tasse Tee zwischen ihren Fäustlingen hielt und einen Schlager, den Daniel nicht kannte, aus dem Radio mitsummte. Nach einem kurzen Smalltalk verwies ihn die Frau auf den Lageristen, der mit seinem Gabelstapler zwischen den Regalen hin- und hereilte und für das Frachtschiff Paletten

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