Das Licht, das toetet
vorerst geschlossen.“ Seufzend legte sie ihren Roboter zurück. Wie gerne hätte sie Gexx noch diese Woche fertig gebastelt, aber ihr fehlte das Geld, um eine Hydraulikpumpe für sein letztes Bein zu kaufen. Mit nur fünf Beinen hielt sich Gexx bloß an sehr rauen Flächen und konnte noch keine Glasscheiben hinaufgehen.
Sie schloss das klapprige Holztor des Schuppens, als sie ihre Großmutter über den Hof rufen hörte. Sicher hatte sie den Roller gesehen.
„Ich komm ja gleich, Sobo.“ Chiyo folgte den Steinplatten unter den Kirschen hindurch zum Wohnhaus. Die Blüten hatten sich auf dem flachen Wellblechdach verfangen und waren mit dem letzten Regen zu einem braunen Brei verklebt, der sie an verkrustetes Blut erinnerte.
Das winzige Haus an den Hängen des Takao-Bergs musste unbedingt gestrichen werden. Was nicht verwittert war, wirkte irgendwie zusammengebastelt oder wie in Eile festgeschraubt. Ihr Namensschild aus Holz hing schief an der Tür und die Kanji , die japanischen Schriftzeichen, die Chiyo als kleines Kind mit einem heißen Eisen hineingebrannt hatte, waren mit der Zeit moosgrün und rissig geworden. Ihr Nachname Ishizuka war kaum noch zu lesen.
Sie ging an ein paar Regenfässern vorbei auf die Rückseite des Hauses, wo sich eine wacklige Holzterrasse befand, von der man einst in einen kunstvollen Garten blicken konnte. Heute zeugten jedoch nur noch verwilderte Büsche und ein alter Brunnen sowie eine große Daikoku- Statue von der einstigen Pracht. Um den Berghang abzusichern, der sich direkt an das Grundstück anschloss, hatten die Behörden vor ein paar Jahren Eisengitter über die Felsen geschweißt und Netze angebracht, die herabkullernde Steine aufhalten sollten.
Gedankenverloren folgte Chiyo dem schmalen Pfad, der ums Haus und auf die Terrasse führte. Beinahe wäre sie über Yutaka Kishii gestolpert. Ihr greiser Nachbar hockte am Boden auf einem Kissen und schnitt unter lautem Stöhnen mit einer Schere Unkraut aus der Wegeinfassung. Chiyo mochte den seltsamen, zahnlosen Witwer von nebenan nicht, der sie stets argwöhnisch beäugte und nur böse Worte für sie übrig hatte. Obwohl Kishii im Vergleich zu Chiyos Großmutter geradezu reich war, hielt er dennoch die Hand auf und half im Garten ausschließlich gegen Bezahlung. Seine Zeit verbrachte er am liebsten damit, auf ein Kissen gestützt die Landstraße und die Einfahrt im Auge zu behalten und Chiyo anzublaffen, wenn sie von ihren Tokiostreifzügen erst früh morgens nach Hause kam.
„Pass doch auf, du dumme Göre“, fuhr er sie an und zog kopfschüttelnd seine Schere und die Chemikalien zu sich, die er gegen das Unkraut in die Fugen geschüttet hatte. Chiyo entschuldigte sich nicht, sondern nahm mit einem geübten Sprung die drei Stufen zur Holzterrasse und eilte an einigen Windspielen vorbei zur Hintertür.
„Wo bleibst du denn?“, hörte sie ihre Großmutter rufen, noch bevor sie die Shoji , die mit Reispapier bespannte Schiebetür, aufgezogen hatte. „Kishii war so lieb, uns im Garten zu helfen. Schade, dass du ihn nicht mehr getroffen hast, er ist so ein netter Mann.“
Nachdem sie ihre Schuhe draußen abgestreift und die Tür zugeschoben hatte, blickte Chiyo noch einmal Richtung Garten. Durch das Reispapier konnte sie Kishiis Schatten erkennen. Wie sie vermutet hatte, war er neugierig auf allen Vieren vorgekrochen und hatte um das verwitterte Geländer der Veranda gespäht. Er musste Chiyo hinter dem Papier gesehen und sich ertappt gefühlt haben, denn nun tat er, als müsse er sich einer besonders hartnäckigen Pflanze widmen.
„Ja. Sehr nett“, entgegnete Chiyo und verdrehte die Augen. Sie wollte ihre Umhängetasche vor dem niedrigen Esstisch fallen lassen, als sie bemerkte, dass sie gar keine mehr bei sich trug. Die musste noch immer im Electro-World oder inzwischen in irgendeinem Polizeirevier liegen. Verflucht! Sie wollte gar nicht daran denken, was alles Wichtiges in der Tasche gewesen war.
Ihre Großmutter kam zu ihr und Chiyo begrüßte sie mit einem Küsschen auf die Wange. Die zierliche Frau, deren Arme Chiyo zerbrechlich wie Glas erschienen, reichte ihr kaum bis zum Kinn.
„Sobo, tut mir leid“, entschuldigte sich Chiyo und hob die Deckel der Kochtöpfe. „Es war Stau nach Hachi ō ji.“
Sobo pfiff wie immer, wenn sie vorgab, entrüstet zu sein. „Wie war es in der Schule, mein Schatz?“ Sie schnappte Chiyo den Kochlöffel weg und drängte sie liebevoll beiseite. „Es gibt Nikuman, die magst du doch
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