Das Licht, das toetet
Heizungsrohren und Eimern mit Farbe.
Noch einmal warf Ian einen Blick nach unten ins Foyer. Der Schwung der Treppe, der Marmorboden, die Eingangstür – nichts weckte Erinnerungen in ihm.
Lautes Donnergrollen zerriss die Stille. Ein Blitz zuckte auf und erhellte für einen Lidschlag die Dunkelheit. Das Licht peitschte durch die Scheiben der Haustür und die Fenster der Front. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte Ian einen Schatten auf der Veranda gesehen zu haben.
Er kniff die Augen zusammen, spähte noch einmal hinab zur Tür, doch im zuckenden Licht des nächsten Blitzes war der Schatten verschwunden. War es der Gärtner gewesen? Er hatte aufgehört, an der Tür zu rappeln. Hatte er sich befreit? Ian horchte angestrengt in die Dunkelheit. Der Wind pfiff und heulte, prasselnder Regen.
„Was ist denn?“ Beunruhigt starrte Bpm über das Treppengeländer ins Erdgeschoss.
„Nichts … Nur … Wir sollten uns wirklich beeilen!“
Bpm zuckte mit den Achseln und strich sich die Locken aus dem Gesicht. „Zeig doch noch mal das Foto.“
Gemeinsam betrachteten sie die verblichene Aufnahme.
„Ist das hinter dem Fenster da nicht der Garten und der kleine Punkt hier die Themse?“
Ian runzelte die Stirn. Er hatte dem Fenster am linken Bildrand bisher noch keine Beachtung geschenkt. „Das hätten wir gleich sehen müssen. Es liegt nach hinten raus. Zum Garten hin, nicht zur Straße.“ Eifrig öffnete Bpm eine Tür nach der anderen. „Zu klein. Nur ein Abstellraum mit Medizinzeug.“ Er stürmte weiter zur nächsten Tür. „Mist, verschlossen.“ Bpm überlegte kurz, dann fragte er in abgehacktem militärischem Tonfall: „Soll ich sie eintreten, Sir?“
Doch Ian war nicht zum Spaßen zumute. „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Das wäre Vandalismus. Wir müssen sie irgendwie anders aufkriegen –“
Mit einem lauten Husten trat Bpm zu. Seine Bewegung wirkte leicht komisch, ungelenk, doch der Tritt mit seinen Docs verfehlte seine Wirkung nicht. Das alte, wurmstichige Türblatt brach aus dem Schloss und schwang auf.
„Entschuldigung“, murmelte Bpm gespielt kleinlaut. „Mein Fuß ist mir ausgerutscht.“
Ian verdrehte die Augen, spähte aber dennoch neugierig in das dunkle Zimmer. Er musste den Raum nicht einmal betreten, um zu erkennen, dass sie endlich das Arbeitszimmer gefunden hatten.
Bpm nahm kurz seine Pilotenbrille ab und drängte sich an Ian vorbei durch die Tür. „Guck mal, hier hinten ist noch ein Zimmer, das zum Flur führt. Na ja, wohl eher eine Gerümpelkammer …“
Er plapperte wie ein Wasserfall, aber Ian reagierte nicht. Wenn die Zeitung recht hatte, war sein Vater in diesem Raum gestorben. Er traute sich kaum, auf den Boden zu schauen, aus Angst, einen Brandfleck zu entdecken. Erleichtert stellte er fest, dass inzwischen Linoleum über den Dielen lag. Wo einst der Schreibtisch seines Vaters gestanden haben musste, hatten Maler einen Tapeziertisch aufgebaut, auf dem eine leere Brotschachtel neben alten Zeitungen, einem Zollstock und anderem Krimskrams lag. Das Fenster zierte eine Plastikpflanze, deren Blätter weiß vor Staub waren. Ian sah nach draußen. In einiger Entfernung konnte er die Themse sehen.
Er erinnerte sich an gar nichts mehr. Kein Wunder, dachte er, ich war vier Jahre alt, als wir fortgezogen sind. Und der Raum ist irgendwann einmal renoviert worden.
Bpm riss Ian das Bild aus der Hand und versuchte, die Position des Fotografen zu finden. „Das Foto muss von da aufgenommen worden sein.“ Er deutete auf eine Kommode, auf der schmutzige Kaffeetassen standen. „Was ist denn da an der Wand?“
Mittlerweile blitzte und donnerte es so heftig, dass Ian die einzelnen Blitze gar nicht mehr auseinanderhalten konnte. Er trat neben seinen Freund und folgte dessen Blick.
„Du meinst den Strich?“ Ian tippte auf das Foto und die kuriose Formel hinter seinem Vater.
„Warte mal.“ Er schob die Stühle beiseite und kniete sich auf den Boden. Die Wand war zwar neu tapeziert worden, doch vielleicht konnte er noch etwas an den unsauber verklebten Rändern entdecken. Ian starrte die Wand und die Fußleiste an, bis –
„Er ist noch da, der Strich!“, rief Ian aufgeregt.
Tatsächlich war ein dunkler Strich auf die Fußleiste gemalt. „Es muss noch da sein. Unter der Tapete. Sie haben es einfach überklebt.“
„Dieses Gekritzel? Diese … dieses …“ Bpm suchte nach Worten. „Dings?“
„Ja!“ Ian tastete nach dem Anfang der Bahn und riss ein Stück Tapete
Weitere Kostenlose Bücher