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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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alten, stinkenden Hühnerstall zu ihrer Werkstatt erklärt hatte. Zehn Jahre, grübelte Chiyo und zog ein Päckchen aus der Kiste. Sicher ist sie älter. Das Päckchen wirkte trotz der Hitze des Strahlers kalt und klamm, denn es bestand aus Ölpapier. In das dicke Papier waren mehrere Eisenteile eingeschlagen, die dank des Öls kaum gerostet waren.
    Eines weckte sofort Chiyos Neugier: Es war ein Monokel, ein Einglas, das aussah wie eine durchgesägte Brille.
    Das Monokel, das an der Seite sieben Einkerbungen und Spulen hatte, bestand aus mehreren bunten Gläsern, die sich hintereinander schieben ließen. Chiyo musste nicht lange überlegen, was man damit anstellen konnte. In wenigen Augenblicken hatte sie durchschaut, dass sich das Einglas an den Rand des Helmes stecken ließ, sodass es ihr rechtes Auge abdeckte.
    Nun sah sie den Stauboden in den verschiedensten Schattierungen. Das Licht des Strahlers fächerte sich wie durch ein Prisma auf und glitzerte in allen Farben des Regenbogens.
    „Genial!“ Sie drehte den Kopf und der Raum verformte sich merkwürdig. Die Dinge verloren ihre Konturen. „Abgefahren!“
    „Chiyo?“ Die Stimme ihrer Großmutter drang zu ihr hinauf.
    „Ja, Sobo?“
    „Was machst du denn noch im Schuppen, mein Schatz? Kishii-San bittet dich, das Licht auszumachen!“
    „Ich bastle nur noch etwas an Gexx.“ Chiyo verdrehte die Augen. Der Blödmann. Sie schnappte sich den Rest aus der Kiste, einige Drähte und weitere Ölpapierbündel, dann stakste sie über den Schrott zurück zur Luke. Sie überlegte noch, wie sie ihren Fund am besten die Treppe hinunterbugsieren sollte, als sie heftig erschrak.
    Der weißhaarige Kopf ihrer Großmutter war in der Luke aufgetaucht. „Was hast du da auf dem Kopf?“, rief Sobo barsch. Einen derart finsteren Gesichtsausdruck hatte Chiyo bei ihrer Oma noch nie gesehen.
    „Das lag da hinten“, erwiderte sie lächelnd. „Cool, oder?“
    „Setz das ab!“, herrschte Sobo sie an.
    „Was? Wieso?“ Chiyo verstand nicht und trat zu ihrer Großmutter, die keuchend die Stiege hinauf in den Stauboden geklettert kam. „Komm, ich helfe dir.“ Chiyo streckte den Arm aus, um ihre Großmutter zu stützen.
    „Ich sagte, du sollst Hitomi hinlegen!“, wiederholte ihre Großmutter unwirsch und zog sich die Stufen hinauf.
    „Aber …“ Chiyo nahm den Helm ab und klemmte ihn sich unter den Arm, um ihrer Großmutter zu helfen. Die alte Dame hustete vor Anstrengung und lehnte sich erschöpft an eine Strebe des Dachbodens.
    „Kein Aber, Chiyo. Leg ihn zurück!“
    „Aber … Ich hab doch nur … Warum denn?“ Überrascht stellte sie fest, dass sie ihre Großmutter noch nie so wütend erlebt hatte.
    „Gib ihn mir!“
    „Was hast du denn, Sobo?“
    „Gib ihn mir!“
    Die alte Dame schwitzte und wischte sich ihre weißen Haare aus der Stirn.
    „Ist es dein Helm?“, fragte Chiyo, um etwas Zeit zu gewinnen. Doch ihre Großmutter ließ sich nicht ablenken. Geradezu gierig streckte sie ihre dürren Arme nach dem Helm aus. Ihre Haut wirkte schon bei Tageslicht blass und durchsichtig, doch im Licht des Strahlers musste Chiyo unwillkürlich an einen Geist denken. Eine kleine unerlöste Seele, die all jenen das Fürchten lehrte, die sich an ihrem längst verlorenen Besitz vergriffen. Sobo machte ihr Angst und das gefiel Chiyo ganz und gar nicht.
    „Du hast ihn gebaut, Sobo? Und er heißt Hitomi?“
    „Das geht dich nichts an, Chiyo. Gib ihn mir!“, zischte Sobo. Sie sprach leise, doch die unterschwellige Wut in ihrer Stimme jagte Chiyo eine Gänsehaut über den Rücken.
    „Hey, reg dich nicht auf, Sobo. Ich mach ihn schon nicht kaputt.“ Sie versuchte zu lächeln. „Wofür ist er denn? Zum Fernsehen oder so? Hast du ihn damals entwickelt, als du bei Sony gearbeitet hast?“
    „Nein! Und jetzt hör auf zu fragen, Chiyo. Er ist nicht gut für dich.“ Unerwartet schnell trat Sobo einen Schritt vor und packte den Helm. „Ich hätte Hitomi vernichten sollen!“
    Chiyo war so verdutzt, dass sie instinktiv nach dem Helm griff, um ihn ihrer Großmutter wieder zu entreißen. Einen Moment lang zerrten beide an dem Helm, doch Sobo war zu schwach, um sich mit Chiyo zu messen. Mit einem Ruck eroberte sich Chiyo ihren Helm zurück und Sobo stolperte schwankend Richtung Treppe.
    Chiyo schnappte nach dem Arm ihrer Großmutter, aber es war zu spät. Die alte Frau verlor das Gleichgewicht. Beide schrien gleichzeitig auf, als Sobo rückwärts die Treppe hinunterstürzte.
    Halb

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