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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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untergegangen, doch der Westen vor uns war ein einziger See aus glattem Gold. Der Pfad
     führte ein Stück über das freie Feld und verlief dann unter einem Spalier, das einem endlosen Laubengang glich. Auf beiden
     Seiten lagen schattige Obstgärten, Landhäuschen kauerten zwischen den Bäumen und schickten ihren Rauch himmelwärts. Zwischendurch
     erschien durch eine Lücke immer wieder das große goldene Gesicht des Westens.
    Ich habe den Kapitän der
Cigarette
noch nie in einer so idyllischen Stimmung erlebt. Er wurde regelrecht poetisch, als er die ländliche Umgebung pries. Ich war
     kaum weniger entzückt; die milde Abendluft, die Schatten, die kräftigen Lichter und die Stille begleiteten unseren Spaziergang
     wie eine Symphonie, und wir beschlossen beide, künftig die Städte zu meiden und in Dörfern zu übernachten.
    Schließlich führte der Pfad zwischen zwei Häusern hindurch und brachte die Gesellschaft auf eine breite, schlammigeHauptstraße, die, so weit das Auge reichte, mitten durch ein unansehnliches Dorf führte. Die Häuser standen ein gutes Stück
     weit entfernt und ließen auf beiden Seiten der Straße einen Streifen Ödland frei, wo Feuerholzstapel, Wagen, Schubkarren,
     Misthaufen und etwas fragwürdiges Grasland zu sehen waren. Weiter links stand in der Straßenmitte ein verlassener Turm. Wozu
     er in der Vergangenheit gedient hatte, weiß ich nicht – wahrscheinlich als Festung in Kriegszeiten –, aber gegenwärtig trug
     er in der oberen Hälfte ein unlesbares Zifferblatt und einen eisernen Briefkasten in Bodennähe.
    Der Gasthof, der uns in Quartes empfohlen worden war, war besetzt, oder der Wirtin gefiel unser Aussehen nicht. Ich sollte
     erwähnen, dass wir mit unseren langen Kautschuktaschen ein eher zweifelhaftes Muster an Zivilisiertheit abgaben: wie Lumpensammler,
     meinte der Kapitän der
Cigarette
. »Die Herren sind Hausierer? –
Ces messieurs sont des marchands
?«, fragte die Wirtin. Und dann, ohne auf eine Antwort zu warten, die sie in einem so offensichtlichen Fall vermutlich für
     überflüssig hielt, empfahl sie uns einen Metzger, der in der Nähe des Turms wohnte und Betten an Reisende vermietete.
    Wir gingen dorthin. Doch der Metzger sprang von einem Fuß auf den anderen, und all seine Betten waren reserviert. Oder ihm
     gefiel nicht, wie wir aussahen. Die letzte boshafte Bemerkung war: »Die Herren sind Hausierer?«
    Nun wurde es wirklich dunkel. Wir konnten die Gesichter der Leute, die mit einem unverständlichen Abendgruß an uns vorbeigingen,
     nicht mehr erkennen. Die Hausbesitzer von Pont schienen sehr sparsam mit ihrem Lampenölumzugehen, denn wir sahen auf dem ganzen langen Weg durch das Dorf kein einziges erleuchtetes Fenster. Ich hielt es für das
     größte Dorf der Welt, doch in unserer misslichen Lage zählte jeder Schritt wohl mehr als drei. Wir waren ziemlich niedergeschlagen,
     als wir die letzte Herberge erreichten, zur dunklen Tür hineinschauten und schüchtern fragten, ob wir hier übernachten könnten.
     Eine weibliche Stimme rief uns in einem nicht allzu freundlichen Ton herein. Wir ließen unsere Taschen fallen und suchten
     uns einen Platz.
    In dem Raum war es stockdunkel bis auf ein rotes Glühen hinter dem Gitter und den Lüftungsschlitzen des Herdes. Doch nun zündete
     die Wirtin eine Lampe an, um ihre neuen Gäste zu betrachten. Vermutlich hatte uns nur die Dunkelheit vor einer weiteren Abschiebung
     bewahrt, denn ich kann nicht behaupten, dass sie über unser Erscheinen glücklich war. Wir befanden uns in einem großen einfachen
     Raum, geschmückt mit zwei allegorischen Drucken, die Musik und die Malkunst darstellend, und einer Kopie des Gesetzes gegen
     öffentliche Trunkenheit. Auf einer Seite gab es so etwas wie eine Bar mit einem halben Dutzend Flaschen. Zwei Arbeiter warteten
     auf ihre Mahlzeit, ihre Haltung zeugte von großer Müdigkeit; ein schlicht aussehender Bursche lief mit einem schläfrigen zweijährigen
     Kind geschäftig hin und her, und die Wirtin begann die Töpfe am Herd umzustellen und ein paar Beefsteaks zu braten.
    »Die Herren sind Hausierer?«, fragte sie schroff. Und das war auch schon das Ende des Gesprächs. Wir fingen fast an zu glauben,
     dass wir wirklich Hausierer waren. Ich bin noch nie einem Völkchen mit einer dermaßen geringenSpannbreite von Vermutungen begegnet wie den Wirten von Pont-sur-Sambre. Doch Manieren und Verhaltensweisen haben keinen größeren
     Geltungsbereich als Banknoten. Man muss

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