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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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– dumme Leute, die nichts anderes im Sinn hatten, als die Verantwortung für ihr schäbiges Leben jemand anderem zuzuschieben –, und Weaver machte nie Platz auf dem Gehsteig oder zog seine Mütze. Er legte sich mit jedem an, der ihn als Nigger bezeichnete. und hatte nie Angst um sich. »Wenn du den Schwanz einziehst, wie ein Hund, Matt«, sagte er, »behandeln dich die Leute auch so. Wenn du aufrecht stehst, wie ein Mann, wirst du wie ein Mann behandelt.« Das mochte auf Weaver zutreffen, aber manchmal fragte ich mich, wie man seinen Mann stehen sollte, wenn man ein Mädchen war?
    Â»Der Graf von Monte Christo
klingt schon jetzt nach einem guten Buch, nicht wahr, Mattie? Obwohl wir erst beim zweiten Kapitel sind«, sagte Weaver.
    Â»Das stimmt«, antwortete ich und beugte mich neben einem dichtbewachsenen Fleck mit Farnsprossen hinunter.
    Â»Schreibst du immer noch deine Geschichten?« fragte mich Minnie.
    Â»Ich hab keine Zeit. Und auch kein Papier. Ich hab schon alle Blätter in meinem Aufsatzheft verbraucht. Aber ich lese viel. Und lerne mein Wort des Tages.«
    Â»Du solltest deine Wörter anwenden, nicht sammeln. Du solltest sie beim Schreiben anwenden. Dafür sind sie da«, sagte Weaver.
    Â»Ich hab dir doch gesagt, daß das nicht geht. Hörst du nicht zu? Und abgesehen davon gibt’s in Eagle Bay nichts, worüber man schreiben könnte. Vielleicht in Paris, wo Mr. Dumas lebt.«
    Â»Dü-mah.«
    Â»Was?«
    Â»Dü-mah. Nicht Dumm-aas. Bist du nicht selbst zur Hälfte Französin?«
    Â».wo Mr.
Dü-mahhh
lebt, wo’s Könige und Musketiere gibt, aber nicht hier«, antwortete ich, vielleicht ein wenig gereizter, als ich eigentlich wollte. »Hier gibt’s nichts als Zuckersieden, Melken, Kochen und Farnsprossen sammeln, und wer möchte darüber schon was lesen?«
    Â»Du brauchst uns nicht so anzufahren, du Giftnatter«, sagte Minnie.
    Â»Ich hab euch nicht angefahren«, erwiderte ich gereizt.
    Â»Die Geschichten, die Miss Wilcox nach New York geschickt hat, waren nicht über Könige und Musketiere«, sagte Weaver. »Die eine über den Eremiten Alvah Dunning und sein einsames Weihnachten war die beste Geschichte, die ich je gelesen hab.«
    Â»Und wie der alte Sam Dunnigan seine arme tote Nichte eingewickelt und sie den ganzen Winter über in sein Eishaus gelegt hat, bis sie beerdigt werden konnte«, fügte Minnie hinzu.
    Â»Und wie Otis Arnold einen Mann erschossen und sich dann in Nick’s Lake ertränkt hat, bevor der Sheriff ihn aus den Wäldern holen konnte«, sagte Weaver.
    Ich zuckte mit den Achseln und stocherte in den Blättern herum.
    Â»Was ist mit dem Glenmore?« fragte Minnie.
    Â»Ich geh nicht hin.«
    Â»Wie steht’s mit New York? Schon irgendwas gehört?« fragte Weaver.
    Â»Nein.«
    Â»Hat Miss Wilcox denn keine Post gekriegt?« bohrte er nach.
    Â»Nein.«
    Auch Weaver stocherte ein wenig herum und sagte dann: »Der Brief wird schon kommen, Matt. Das weiß ich. Und in der Zwischenzeit kannst du trotzdem schreiben, weißt du. Nichts kann dich vom Schreiben abhalten, wenn du es wirklich willst.«
    Â»Das mag vielleicht für dich zutreffen, Weaver«, gab ich ärgerlich zurück. »Deine Mama läßt dich in Frieden. Aber was wäre, wenn du drei Schwestern, einen Vater und eine große beschissene Farm zu versorgen hättest, die nichts als endlose beschissene Arbeit bedeutet? Was wär dann? Glaubst du, daß du dann noch Geschichten schreiben würdest?« Ich spürte, wie es mir die Kehle zuschnürte, und ich schluckte ein paarmal, um den Kloß im Hals loszuwerden. Ich weine nicht oft. Pa rutscht schnell die Hand aus, und er hat wenig Geduld mit flennenden Mädchen.
    Weavers und mein Blick trafen sich. »Es ist doch nicht die Arbeit, die dich abhält, Matt? Oder die mangelnde Zeit? Von der einen hast du immer zu viel und von der anderen immer zu wenig gehabt. Es ist dieses Versprechen. Sie hätte dich nicht dazu zwingen dürfen. Dazu hatte sie kein Recht.«
    Minnie weiß, wann man aufhören muß, Weaver nicht. Wie eine Hornisse schwirrte er um einen herum und suchte nach einer Öffnung oder einem wunden Punkt, um dann so fest zuzubeißen, daß es weh tat.
    Â»Sie lag im Sterben. Du hättest für deine Mutter das gleiche getan«, antwortete ich und sah zu Boden. Ich spürte, daß

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