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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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schon seit über zehn Jahren. Er ist mein bester Freund. Er und Minnie. Aber immer noch muß ich lächeln. wenn wir uns bei der Hand nehmen. Meine Haut ist so blaß, fast durchsichtig, und seine so braun wie Tabak. Dennoch gibt es zwischen mir und Weaver mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede. Seine Handflächen sind rosa wie meine, seine Augen braun wie meine, und im Innern ist er ganz genauso wie ich. Auch er liebt Wörter und tut nichts lieber, als ein Buch zu lesen.
    Weaver war der einzige schwarze Junge in Eagle Bay. Dasselbe galt für Inlet, Big Moose Lake, Big Moose Station, Minnowbrook, Clearwater, Moulin. McKeever und die ganzen North Woods. Nie habe ich einen anderen gesehen. Vor ein paar Jahren kamen schwarze Männer, um bei Webb’s die neue Eisenbahnstrecke zu bauen, die von Mohawk nach Malone und direkt nach Montreal hinaufführt. Sie wohnten in Buckley’s Hotel in Big Moose Station – einer Siedlung ein paar Meilen westlich von Big Moose Lake –, aber sie gingen wieder, sobald die letzte Schiene gelegt war. Einer von ihnen erzählte meinem Pa, daß die Bowery. die übelste Straße in New York City, nichts sei im Vergleich zu Big Moose Station am Samstagabend. Er sagte, die Kriebelmücken hätten es nicht geschafft, ihn umzubringen, genausowenig Jerry Buckley’s Whiskey oder die rauflustigen Holzfäller, aber Mrs. Buckleys Kochkünsten würde dies gelingen, und er gehe fort, bevor es soweit komme.
    Weavers Mama ist mit Weaver aus Mississippi hier raufgezogen, nachdem Weavers Vater vor ihren Augen von drei Weißen getötet worden war, und zwar aus dem einzigen Grund, weil er nicht vom Gehsteig trat. als sie vorbeigingen. Sie entschied, je weiter nach Norden sie gingen, um so besser. »Hitze macht die Weißen böse«, sagte sie zu Weaver, und nachdem sie von einem Ort namens Great North Woods hörte, ein Ort, der sich kühl und sicher anhörte, beschloß sie, mit ihrem Sohn dort hinzuziehen. Sie wohnten etwa eine Meile weiter oben an der Uncas Road, gleich südlich von den Hubbards, in einem alten Blockhaus, das jemand vor Jahren aufgegeben hatte.
    Weavers Mama nahm Wäsche an und bekam eine Menge Arbeit von den Hotels und Holzfällerlagern. Im Sommer wusch sie Tisch- und Bettwäsche und im Herbst, Winter und Frühling Wollhemden, Hosen und lange Unterhosen, die mehrere Monate hintereinander getragen worden waren. Weavers Mama kochte sie in einem riesigen Eisentopf in ihrem Hinterhof. Sie sorgte auch für die Reinigung der Holzfäller selbst. die sie in eine Blechwanne steigen ließ, wo sie sich abschrubbten, bevor sie ihre Kluft wieder anzogen. Wenn eine ganze Mannschaft gleichzeitig eintraf, stand man besser nicht in ihrer Windrichtung. »Weavers Mama kocht heute Unterhosensuppe«, sagte Lawton immer.
    Sie zog auch Küken auf. Dutzende. Während der warmen Monate briet sie jeden Abend vier oder fünf, buk auch Brötchen und Pasteten und schaffte am nächsten Tag alles auf ihrem Karren zur Bahnstation in Eagle Bay, wo sie ihre Waren an den Zugführer, die Schaffner und all die hungrigen Touristen verkaufte.
    Jeder Penny, den sie verdiente, kam in eine alte Zigarrenkiste, die sie unter ihrem Bett aufbewahrte. Weavers Mama arbeitete so hart sie konnte, um Weaver aufs College schicken zu können. Auf die Columbia Universität in New York City. Miss Wilcox, unsere Lehrerin, ermutigte ihn, sich zu bewerben. Er hatte ein Stipendium bekommen und plante, Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren, um dann eines Tages an die juristische Fakultät zu wechseln. Er war der erste frei geborene Junge in seiner Familie. Seine Großeltern waren Sklaven gewesen, und sogar seine Eltern waren noch als Sklaven geboren worden. obwohl Mr. Lincoln sie im Kleinkindalter befreite.
    Weaver sagt, daß Freiheit wie Sloan’s Heilsalbe sei: verspreche immer mehr, als sie halte. Tatsächlich bedeute es nur, daß man zwischen den schlechtesten Jobs in Holzfällerlagern, Hotels und Gerbereien wählen könne. Solange seine Leute nicht überall die gleiche Arbeit wie die Weißen bekämen, offen ihre Meinung sagen, Bücher schreiben und veröffentlichen könnten und weiße Männer für das Verprügeln von Schwarzen nicht bestraft würden, solange sei kein Schwarzer wirklich frei.
    Manchmal hatte ich Angst um Weaver. In den North Woods gab es Hinterwäldler genauso wie in Mississippi

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