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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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nicht wünschen sollte, und was sie Begabung nennen, ist für mich eher eine Last.
    Â»Mattie …«, sagte Weaver, der immer noch Farnsprossen in seinen Kübel fallen ließ.
    Ich antwortete ihm nicht, machte mir nicht einmal die Mühe, mich aufzurichten oder ihn anzusehen, sondern versuchte, nicht darüber nachzudenken, was er gesagt hatte.
    Â»Mattie, wie heißt dein Wort des Tages?«
    Ich machte eine abwehrende Handbewegung.
    Â»Ach komm schon, wie heißt es?«
    Â»Elementar«,
antwortete ich ruhig.
    Â»Was bedeutet das?«
    Â»Weaver, sie möchte nicht mit dir reden. Niemand will das.«
    Â»Sei still, Minnie.«
    Er kam zu mir herüber und nahm mir meinen Kübel weg. Ich mußte ihn ansehen. An seinen Augen war abzulesen, daß es ihm leid tat, auch wenn seine Lippen dies nicht sagten.
    Â»Was bedeutet es?. »Grundlegend, anfängerhaft.«
    Â»Sag einen Satz damit.«
    Â»Weaver Smith sollte seine elementarschülerhaften Versuche auf dem Gebiet der Eloquenz aufgeben und zugestehen, daß Mathilda Gokey die überlegenere Wortduellantin ist.«
    Weaver lächelte. Er stellte beide Eimer ab. »Zieh«, sagte er.

M
attie, was zum Teufel tust du hier?«
    Es ist die Köchin. Sie erschreckt mich so sehr. daß ich fast einen Satz zur Seite mache. »Nichts. Ma’am«, stammle ich und schlag die Kellertür zu. »Ich … ich … wollte bloß …«
    Â»Ist die Eiscreme fertig?«
    Â»Fast, Ma’am.«
    Â»Sag nicht ständig
Ma’am
zu mir. Und laß dich nicht mehr auf diesem Stuhl hier oben erwischen, bevor deine Arbeit getan ist.«
    Die Köchin ist gereizt. Mehr als sonst. Wir alle sind es. Personal und Gäste gleichermaßen. Gereizt und traurig. Außer der alten Mrs. Ellis, die wütend ist und sich berechtigt fühlt, es uns heimzuzahlen, weil ihr eine Leiche im Gesellschaftszimmer den Tag verdirbt.
    Ich gehe zur Eismaschine zurück, und Grace Browns Briefe lasten wie ein Gewicht in meiner Rocktasche. Warum mußte die Köchin gerade in diesem Moment in die Küche kommen? Zwei Sekunden später, und ich wäre unten vor dem großen Kohlebrenner gewesen. Das Glenmore ist ein modernes Hotel mit Gaslicht in allen Räumen und einem Gasofen in der Küche, aber der Brenner, der das ganze Wasser für das Hotel erhitzt, wird mit Kohle beheizt. Die Briefe wären augenblicklich verbrannt. Ich hätte sie losgehabt. Von dem Moment an, als Grace Brown sie mir übergab, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als sie loszuwerden. Sie gab sie mir gestern nachmittag auf der Veranda, nachdem ich ihr die Limonade gebracht hatte. Sie tat mir leid, ich wußte, daß sie geweint hatte. Und ich wußte auch, warum. Sie hatte beim Essen einen Streit mit ihrem Liebhaber gehabt. Es ging um eine Kapelle. Sie wollte sich auf die Suche nach einer Kapelle machen, aber er wollte Boot fahren.
    Zuerst hatte sie das Getränk abgelehnt, weil sie es nicht bezahlen könne, sagte sie, aber ich antwortete ihr, daß sie das nicht müsse, weil ich mir dachte, was Mrs. Morrison nicht weiß, macht sie nicht heiß. Und dann, gerade als ich mich anschickte, wieder nach drinnen zu gehen, bat sie mich zu warten. Sie öffnete den Koffer ihres Freundes und zog ein Bündel Briefe heraus. Aus ihrer Tasche nahm sie ein paar weitere. schnürte das Band darum auf, band dann alle Briefe zusammen und bat mich, sie zu verbrennen.
    Ich war so verblüfft über ihre Bitte, daß ich nicht antworten konnte. Die Gäste fordern alle möglichen seltsamen Dinge von einem. Omelettes mit zweieinhalb Eiern. Nicht zwei, nicht drei – sondern zweieinhalb. Ahornsirup für ihre Röstkartoffeln. Blaubeermuffins ohne Blaubeeren darin. Forelle zum Abendessen, vorausgesetzt, sie schmecke nicht nach Fisch. Alles, was sie von mir verlangten, erledigte ich mit einem Lächeln, aber nie hatte mich jemand gebeten, Briefe zu verbrennen, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich das der Köchin erklären sollte.
    Â»Miss, ich kann nicht …«, begann ich.
    Sie ergriff meinen Arm. »Verbrennen Sie sie! Bitte«, flüsterte sie. »Versprechen Sie mir, daß Sie es tun. Niemand darf sie je zu Gesicht bekommen. Bitte!«
    Und dann drückte sie mir das Bündel in die Hand. und der Ausdruck in ihren Augen war so verzweifelt. daß ich Angst bekam und schnell nickte. »Natürlich. Miss. Ich

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