Das Licht des Orakels
von seinem Kostüm und stiegen in die Kuppel auf.
Die Soldaten wollten erneut nach den Troubadouren greifen, doch der heulende Sturm warf sie um. Nur Gideon blieb stehen. Er blinzelte in den pfeifenden Wind und konnte nicht verhindern, dass ihm der Wind Selids Prophezeiung entriss. Ein zielbewusster Windstoß ließ sie im Schoß der Königin landen.
Dann legte sich der Wind.
Avrohom ergriff schnell das Wort. »Hört mich an!«
Seine berühmte Stimme schmetterte in die plötzliche Stille hinein. »Jeder, der eine Waffe auch nur anfasst, wird die Macht des Sturms erneut zu spüren bekommen!«
Bryn hatte ihre Zweifel an seinen Worten. Eine leichte Bewegung der Luft dicht an ihrer Haut war alles, was von dem Sturm übrig war, doch sie war dankbar, dass Avrohom gesprochen hatte, und erleichtert, dass keiner der Soldaten seine Klinge hob. Stattdessen hielten sie sich mühsam auf den Beinen, benommen und leicht schwankend, die Waffen weggesteckt.
»Eure Majestät«, sagte Avrohom eindringlich. »Ich bitte Euch noch einmal, und diesmal als Troubadour und treuer Untertan, die Prophezeiung zu lesen, die Euch durch Ellerths Macht übergeben wurde.«
Alessandra schluckte und starrte auf die Rolle in ihrem Schoß, dann griff sie danach. »Nach einer solchen Übergabe – welche Königin könnte sich da weigern?«
Sie löste die Bänder, entrollte das Pergament und ließ Selids schöne Schrift zum Vorschein kommen.
Während sie die Prophezeiung las, war in der Kuppelhalle nur das Atmen der Menge zu hören.
Die Augen der Königin wurden feucht. Voller Liebe und Hoffnung blickte sie ihre Tochter an. »Gideon«, sagte sie dann, »nimm ein paar Soldaten und bringe Mednonifer zu mir.«
Gideon salutierte. Mit einem Trupp Soldaten marschierte er hinaus.
Die Erste Priesterin befahl den Tempelwachen, einen festen Ring um Clea zu bilden und ihre Hände zu fesseln.
Als das geschehen war, winkte sie Bryn zu sich. »Komm her, vom Wind erwählte Prophetin.«
Unter den Augen der Königin und der Prinzessin trat Bryn vor. »Nun erkläre Clea und allen hier Versammelten«, sagte Ilona, »was die Feder in ihrer Stirn zu bedeuten hat.«
Die um Clea aufgestellten Soldaten traten zur Seite, damit Bryn näher kommen konnte. Sie blickte auf die Frau nieder, die versucht hatte, sie zu Tode zu verfluchen. »Du bist mit deiner eigenen Feder verflucht worden, Clea, und der Fluch lautet: Für immer hast du die Macht verloren, andere mit einem Fluch zu belegen.«
Clea gab keine Antwort. Bleich und schwitzend starrte sie vor sich hin, während die Leute sie voll schaudernder Faszination anschauten.
»Ist nicht so angenehm, wenn du es selbst bist, die verflucht ist, oder?«, fragte Bryn leise.
Und mit all ihrer Autorität sprach Ilona: »Du bist von nun an keine Priesterin mehr!« Dann wandte sie sich an Bryn. »Du sollst über ihr Schicksal bestimmen, vom Wind erwählte Prophetin. Was soll mit ihr geschehen?«
Bryn streckte die Hand aus und griff nach der Feder in Cleas Stirn. Sie glitt leicht heraus und hinterließ einen winzigen runden Fleck. Ein kleiner Wirbelwind wuchs aus Bryns Hand und trug die Feder hoch in die Kuppel, wo ein Luftsog sie zum Ausgang zog. Dort kam starker Wind auf, der die Feder nach draußen wirbelte. Einen Augenblick lang hing sie still als dunkler Fleck vor dem blauen Himmel, dann wurde sie davongeblasen.
»Ich gebe Clea in Eure Obhut, Erste Priesterin.«
Ilona überlegte, ob sie Bryn wirklich alles erzählen sollte, was geschehen war. Sollte sie enthüllen, dass, bevor Clea ihren Fluch vollenden konnte, die Kraft des Windes durch die Gabe des Steinadlers verstärkt worden war?
Als Clea anfing, dich zu verfluchen, wusste ich sofort, dass sie gestoppt werden musste. Einen Todesfluch hätte ich niemals abgesegnet.
Ilonas Gabe, ihre Fähigkeit, die Gaben anderer zu vergrößern, zu verbessern und zu verstärken, hatte die schwindende Kraft des Windes aufgefangen und sie gerade noch rechtzeitig zu neuem Leben erweckt.
Keldes war sehr begierig auf dich, vom Wind erwählte Prophetin. Er hat Clea mit einer fürchterlichen Macht unterstützt.
Bryn lehnte sich an Dawn. Sie sah müde, aber zufrieden aus.
Wenn ich es ihr erzähle, ist meine Gabe nicht länger geheim. Ilona sagte sich, dass sie Bryn wahrscheinlich vertrauen konnte, aber andererseits sollte man echte Geheimnisse wirklich für sich behalten. Sie würde sorgfältig darüber nachdenken.
Gideon kam zurück und geleitete einen großen Mann mit schmalen
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