Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
Vom Netzwerk:
Schultern, einem langen Bart und buschigen Augenbrauen in die Halle: Mednonifer, der Leibarzt der Königin. Von den Soldaten zur Eile angetrieben, bemühte er sich, den Anschein von Würde dadurch aufrechtzuerhalten, indem er von selbst schnell ging, damit es so aussah, als würde er gar nicht angetrieben. Das Ergebnis war ein hastiges Schlurfen, was ihn nur lächerlich machte.
    Nach einem letzten Stoß in den Rücken stand Mednonifer vor Alessandra und verbeugte sich wenig elegant.
    »Meine Königin.« Er verbeugte sich vor Prinzessin Zorienne. »Prinzessin, ich fürchte, Ihr seid erschöpft.«
    Königin Alessandra musterte den Arzt. »Erschöpft?«
    Er nickte bestätigend. »Ihr unglückseliges Leiden, Eure Majestät.« Er hob eine Augenbraue in sorgfältig zur Schau gestellter Besorgnis. »Bin ich aus diesem Grund hergerufen worden?«
    »Ja, aus diesem Grund. Doch ich bezweifle, dass Ihr die Medizin empfehlt, die sie gesund machen wird.«
    »Die Medizin?«, fragte er verwirrt und verständnislos.
    Königin Alessandra hob Selids Rolle. »Ich habe eine Prophezeiung des Orakels erhalten«, sagte sie und beobachtete ihn genau.
    »Aha. Und Ihr wünscht, dass ich sie anhöre?«
    »Ihr und alle anderen Anwesenden.« Ihre ausladende Handbewegung bezog die ganze Halle mit ein. Dann wandte sie sich der Gilgamelltruppe zu. »Avrohom, ich habe nicht die Stimme eines Troubadours. Deshalb ersuche ich dich, diese Prophezeiung laut vorzulesen.«
    Avrohom verbeugte sich. Er nahm die Rolle, wandte sich an die Versammlung und erhob seine kräftige Stimme.
    An Ihre ehrenwerte Majestät Alessandra, Königin von Sorana: Diese Prophezeiung entstammt dem Licht des Orakels. Prinzessin Zoriennes Krankheit ist auf ein Gift zurückzuführen, verabreicht von Mednonifer, Leibarzt der Königin. Nicht mittels Speisen oder Trank, sondern mittels der Luft während des Schlafs.
    Avrohom machte eine Pause und gab damit allen Zeit, gleichzeitig nach Luft zu schnappen.
    Mednonifers Gesicht war aschfahl geworden. »Das sind Lügen!«, kreischte er. »Ich habe mich um ihre Gesundheit bemüht!« Mit zitternden Beinen rannte er los.
    Die Königin brauchte ihren Soldaten keinen Wink zu geben. Fast hätte es eine Rauferei gegeben, weil jeder derjenige sein wollte, der ihn festnahm.
    Das Gift, fuhr Avrohom fort, ist auf die Bettvorhänge der Prinzessin aufgetragen worden. Holt einen Heiler aus der Burg der Heiler in Bellandra für Zorienne.
    Wieder machte Avrohom eine Pause. Prinzessin Zorienne hatte sich von ihrem Thron erhoben und stand nun aufrecht da, eine zerbrechliche Gestalt, deren Augen die Opale an ihrem Gewand überstrahlten.
    Wendet Euch nach Osten, Eure Majestät,
    las Avrohom weiter,
    um diejenigen zu finden, die Zoriennes Herrschaft verhindern wollen.
    Von meiner Feder geschrieben im Angesicht der Götter, Renchald, Meisterpriester des Tempels des Orakels.
    »Nein!«, kreischte Mednonifer. »Der Meisterprie…«
    Gideon legte ihm die Hand auf den Mund.
    »Bringt ihn weg«, sagte Königin Alessandra, »bevor ich den Verstand verliere und ihn hier auf dem Boden des Thronsaals aufspießen lasse.«
    Als der ehemalige Leibarzt hinausgeführt wurde, kam ein strahlend roter Vogel zu Zorienne geflogen. Er umkreiste einmal ihren Kopf, dann flog er wieder davon und hinterließ eine einzelne rote Feder, die sanft zu Boden schaukelte.
     
    Nachdem sich der allgemeine Tumult gelegt hatte, erklärte die Königin, dass Mednonifer die Möglichkeit bekommen sollte, seine Unschuld zu beweisen. Er würde in Zoriennes Bettvorhänge gewickelt bleiben, bis ein Heiler aus Bellandra eintraf.
    Ilona verbeugte sich vor der Königin. »Eure Majestät, diese Ereignisse, die ich die Ehre hatte als Zeugin mitzuerleben, haben deutlich gemacht, dass die zweite Prophezeiung, die Ihr habt – die, die ich Euch gegeben habe –
    möglicherweise gefälscht ist. Würdet Ihr so freundlich sein, mir zu erlauben, mich zurückzuziehen, um sie zu studieren?«
    Königin Alessandra, strahlend wie Solz selbst, brauchte einen Augenblick, um sich zu erinnern. Dann fand sie die versiegelte Rolle und übergab sie Ilona, die ihre gewaltige Erleichterung, sie zurückbekommen zu haben, verbarg. Obwohl auch sie den Inhalt der Prophezeiung nicht kannte, hatte sie doch den Verdacht, dass er, wenn er bekannt und mit der Wahrheit verglichen würde, der Autorität des Tempels schadete.
    Sie würde die Rolle später lesen, wenn sie alleine war.
    Sie, die Erste Priesterin des Tempels, würde das Siegel

Weitere Kostenlose Bücher