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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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24
     
    Bryn konzentrierte sich auf ihre Schritte, als sie mit Dawn und der Gilgamelltruppe den Palast der Königin betrat. Die Troubadoure hatten sie mit einem elfenbeinfarbenen Satinkleid ausgestattet, dessen weiter Rock mit Rüschen fast schon überladen war. Es fiel ihr schwer, sich darin ganz normal zu bewegen.
    Avrohoms Kostüm war so reichlich mit Straußenfedern geschmückt, dass man ihn für jemanden aus dem Reich der Götter halten konnte, der sich hinab in die Welt der Sterblichen begab. In seiner Jacke hatte er Selids Prophezeiung verborgen. Selbstbewusst ausschreitend, führte er seine Gruppe durch die Halle mit dem Kuppeldach, in der sie alle wie Zwerge wirkten. Als Bryn es wagte, nach oben zu blicken, nahm ihr die Höhe und Spannweite der gewölbten Steinkuppel den Atem.
    Sie hatten Zornowel nach einer zügigen Reise auf der nordsüdlichen Landstraße schnell erreicht, doch dann einen Tag verloren, um die Königin von ihrer Ankunft in Kenntnis zu setzen und ihre Einladung zu einem Besuch bei Hofe während der Audienzzeit abzuwarten. Nun waren sie vom Ausrufer angekündigt worden und ihre Schritte hallten laut auf dem Boden aus poliertem Marmor. Damen und Herren von Rang säumten ihren Weg oder blickten von Galerien herab. Freudige Ausrufe begrüßten die Troubadoure, die der Menge Handküsse zuwarfen.
    Sie erreichten nun den mit Teppichen ausgelegten Bereich vor dem Podium, auf dem der Thron der Königin stand. Die Troubadoure und Dawn verbeugten sich tief.
    Bryn folgte ihrem Beispiel und war dabei krampfhaft bemüht, nicht auf ihren Rocksaum zu treten.
    Königin Alessandra hieß sie von einem goldenen
    Thron aus willkommen, der über ihrem Haupt mit leuchtenden Smaragden besetzt war, die ein Strahlenmuster bildeten. Sie saß majestätisch aufgerichtet und trug voll Würde die siebenzackige Krone. Ihre Augen glänzten wie schwarzer Onyx. Falten, die von den Jahren im Dienst ihres Volkes zeugten, durchzogen ihr Gesicht.
    Neben ihr, auf einem Thron aus Silber, saß Prinzessin Zorienne, die ein Diadem aus Opalen trug. Ihre Schädelknochen stachen so deutlich unter der zarten Haut hervor, als würde sie schon Keldes gehören. Ihr zerbrechlich wirkender Körper war in Decken gehüllt.
    »Die Ankunft der Gilgamelltruppe ist immer ein Anlass zum Feiern«, sagte die Königin. »Besonders, wenn ihr so früh auftaucht. Aber wen habt ihr mitgebracht?«
    »Meine Frau Dawn«, antwortete Avrohom und deutete liebevoll auf die große Gestalt neben sich, »und ihre Reisegefährtin Bryn.«
    »Avrohom verheiratet?«, fragte die Königin. »Zehntausende von Mädchen, die davon geträumt haben, dich zum Mann zu bekommen, werden nun bitter enttäuscht sein. Wie sollen wir nur so viele Kondolenzbriefe schreiben?«
    Eine Welle anerkennenden Gelächters brandete in der Halle auf.
    Avrohom verbeugte sich. Er trat vor und zog Selids Prophezeiung hervor. »Ich hoffe, Eure Majestät«, sagte er mit seiner berühmten Stimme so laut, dass ihn alle hören konnten, »Euch und den Menschen von Sorana ein viel größeres Leid zu ersparen.« Er streckte die Rolle vor. »Ich bringe Euch eine Prophezeiung, die mir vom Orakel anvertraut wurde.«
    Die Königin hob die Augenbrauen. »Du überraschst mich, mein lieber Troubadour.« Sie gab einem grauhaarigen Soldaten ein Zeichen. »Bitte nimm die Rolle für mich an, Gideon.«
    Avrohom zog die Rolle zurück. »Sie ist ausschließlich für Eure Majestät bestimmt«, sagte er.
    Alessandra hob eine Hand. Zehn weitere Soldaten in grünen Wämsern und mit Schwertern am Gürtel traten vor.
    »Du und deine Truppe, ihr seid für eure Musik hoch geachtet«, sagte die Königin. »Aber Troubadoure sind noch nie dafür eingesetzt worden, Botschaften des Orakels zu überbringen. Hat dir niemand gesagt, dass wichtige Prophezeiungen bewacht werden, nachdem sie der Meisterpriester geschrieben hat? Diejenigen, die eine solche Botschaft übermitteln, werden sorgfältig unter den erfahrensten Kriegern ausgewählt, die dem Tempel zur Verfügung stehen, und sie reisen niemals ohne einen Trupp Soldaten, der zu ihrem Schutz abkommandiert wird.«
    In diesem entscheidenden Augenblick, noch bevor Avrohom auch nur ein Wort erwidern konnte und alle darauf warteten, was er zu sagen hätte, rief der Ausrufer am Eingang laut: »Die Erste Priesterin des Tempels des Orakels!«
    Ebenso wie alle anderen drehte sich auch Bryn um und schaute.
    Ilona marschierte durch die Halle auf den Thron zu, unverwechselbar in

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