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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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eine sonore Stimme, die weit übers Wasser trug, dieser Yesho alias Jesus.
    David sah Ihn nur verschwommen, denn er wurde von Lichtreflexen auf dem Wasser geblendet.
     
… Wir müssen uns nun mit der wahren Version der Leidensgeschichte befassen, auch wenn uns das widerstrebt.
    Jerusalem – die quirlige, moderne Stadt, die aus dem für die Region typischen Bimsstein erbaut war – wimmelte an diesem Osterfest von Pilgern. Sie waren gekommen, um in den Mauern der Heiligen Stadt das Osterlamm zu verzehren, wie der Brauch es wollte. In der Stadt waren starke römische Truppenverbände präsent.
    An jenem Ostern standen die Zeichen auf Sturm. Es waren ein paar Widerstandsgruppen in das Stadtgebiet eingesickert: Zeloten, fanatische Gegner Roms und iscarii, Meuchelmörder, die mit Vorliebe auf Volksfesten ihr Unwesen trieben.
    In diesen Hexenkessel begaben sich Jesus und Seine Gefolgsleute.
    Sie nahmen das Ostermahl ein. (Es war kein Vorläufer der Abendmahlfeier, als Jesus sagte, Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Dieser Ritus ist ebenfalls eine Erfindung der Evangelisten. An jenem Abend lagen Jesus viele Dinge auf der Seele, aber als Religionsstifter wollte er sich gewiss nicht hervortun.)
    Wir wissen heute, dass Jesus Kontakte zu vielen Sekten und Gruppierungen unterhielt, die am Rand der Legalität operierten. Aber einen Aufstand hatte Jesus nicht im Sinn.
    Jesus begab sich an einen Ort namens Gethsemane, wo heute noch Olivenbäume aus der Zeit Jesu wachsen (dies ist eine gesicherte Erkenntnis). Er war bestrebt, den Judaismus vom Sektierertum zu befreien, und Er kam dorthin in der Absicht, sich mit Vertretern der Behörden und Anführern der Rebellengruppen zu treffen, um Frieden zu schließen. Wie immer betrachtete Jesus sich als ehrlichen Makler und versuchte, eine Brücke zwischen den Konfliktparteien zu schlagen.
    Die Menschheit war in Jesu Christi Tagen so verblendet wie zu allen Zeiten. Er wurde von Soldaten ergriffen, die die Hohepriester auf Ihn angesetzt hatten. Die darauf folgenden Ereignisse entfalteten sich mit tödlicher Logik.
    Das Verfahren war kein großes theologisches Ereignis. Der Hohepriester – ein müder alter Mann – handelte nach der Maxime, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Er wusste, dass er diesen aufsässigen, anarchistischen Wunderheiler opfern musste, um sein Volk vor der Vergeltung der Römer zu bewahren.
    Nachdem er getan hatte, was er für seine Pflicht hielt, ging der Hohepriester zu Bett. Aber er schlief schlecht.
    Pilatus, der römische Statthalter, musste die Priester außerhalb des Praetoriums empfangen. Die wollten das Amt nicht betreten, weil sie befürchteten, sich dadurch zu kompromittieren. Pilatus war ein ebenso fähiger wie grausamer Mann, der eine jahrhundertealte Besatzungsmacht vertrat. Dennoch zögerte er; er befürchtete wohl, durch die Hinrichtung eines so beliebten Manns einen Volksaufstand zu provozieren.
    Wir kennen nun die Ängste, Aversionen und das Kalkül der Menschen, die sich in jener dunklen Nacht gegenüberstanden – und jeder von ihnen war zweifellos der Ansicht, richtig gehandelt zu haben.
    Nachdem er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte, wusch Pilatus sich die Hände in Unschuld. Die folgenden Ereignisse sind uns in allen schrecklichen Einzelheiten bekannt. Es war nicht einmal ein spektakuläres Schauspiel – die Leidensgeschichte Christi ist aber auch kein Ereignis, das in zwei Tagen sich entfaltet hat, sondern über zwei Jahrtausende.
    Trotzdem gibt es vieles, das wir noch nicht wissen. Der genaue Zeitpunkt Seines Todes ist unklar, und nicht einmal die WurmCam vermag Licht ins Dunkel zu bringen. Wissenschaftler behaupten, die Blickpunkt-Dichte in jenen entscheidenden Sekunden sei so hoch, dass die Struktur der Raumzeit durch die Wurmlöcher beschädigt wurde. Und diese Blickpunkte wurden vielleicht von Beobachtern aus unserer Zukunft dort positioniert – oder aus einer Vielzahl möglicher Zukunftsebenen, falls das, was vor uns liegt, unbestimmt ist.
    Also haben wir noch immer nicht Seine letzten Worte zu Seiner Mutter gehört, und wir wissen immer noch nicht, ob Er im Angesicht des Todes Seinen Gott angerufen hat. Trotz all unsrer Hochtechnologie sehen wir Ihn nach wie vor wie durch eine dunkle Brille.
     
    Der Marktplatz in der Stadtmitte war überfüllt. David unterdrückte ein Schaudern und schob sich durch die Leute hindurch.
    Inmitten der Menge hielt ein Soldat in zerlumpter Uniform eine

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