Das Licht ferner Tage
wurde ein Tag im Leben von Jesus zugewiesen: Ein Tag, den wir mithilfe der WurmCam- Technologie dokumentierten – in Echtzeit, von Mitternacht bis Mitternacht. Auf diese Weise wurde in kurzer Zeit ein Manuskript der ›wahren‹ Biografie von Jesus erstellt.
Diese visuelle Biografie mit Kommentierungen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Sie ist eine simple Beobachtung, ein Abriss der Ereignisse in Jesu allzu kurzem Leben. Die Forschungen sind noch lange nicht abgeschlossen. So muss zum Beispiel die Identität der vierzehn Apostel (nicht der zwölf!) ermittelt werden, und das Schicksal Seiner Geschwister, Seiner Frau und Seines Kindes ist auch nur in groben Zügen bekannt. Dann erfolgt die Abgleichung der historischen Fakten mit den kanonischen und apokryphen Überlieferungen, die von Leben und Wirken Christi künden.
Daran wird die eigentliche Debatte sich anschließen: Eine Exegese von Jesus und Seiner Verkündung – eine Diskussion, die vielleicht so lang währen wird wie die Menschheit selbst.
Diese erste Begegnung war nicht einfach. Doch es sind schon viele Wahrheiten ans helle Licht von Galiläa gekommen.
David lag auf der Couch und überprüfte die Systeme: Den VR-Apparat selbst und die medizinischen Hilfen, die die intravenöse Ernährung und Katheter regulierten und den Körper wendeten, damit er sich nicht wund lag. Falls gewünscht, würden sie ihn sogar säubern wie einen Koma-Patienten.
Bobby saß vor ihm in diesem stillen, abgedunkelten Raum. Der Widerschein der leuchtenden SoftScreen lag auf seinem Gesicht.
Die Ausrüstung mutete David surreal an. Er fühlte sich wie ein Astronaut, der die letzten Startvorbereitungen traf. Jener lang vergangene Tag, in die Zeit eingebettet wie ein Insekt in Bernstein und in ewigem Glanz strahlend, harrte seiner Besichtigung. Er fand sich damit ab.
David nahm das GeistigeAuge- Stirnband, legte es an und spürte das vertraute Kribbeln, mit dem das Band sich an die Schläfen schmiegte.
Er kämpfte die aufsteigende Panik nieder. Wenn man sich vorstellte, dass manche Leute diese Prozedur nur so zum Vergnügen auf sich nahmen!
Ein Schwall gleißenden Lichts ergoss sich über ihn.
Er wurde in Nazareth geboren, einer kleinen wohlhabenden Gemeinde in den Hügeln von Galiläa. Es war eine Routine-Geburt – für die damalige Zeit. Die Mutter hieß wirklich Maria, und eine Jungfrau war sie auch – eine Tempel-Jungfrau (eine vornehme Umschreibung für Tempelsklavinnen, die dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen).
Seine Zeitgenossen wussten, dass Er, Jesus Christus, der illegitime Sohn eines römischen Legionärs war, eines Illyrers namens Pantera.
Diese Verbindung beruhte auf Liebe, nicht auf Zwang. Mary war nämlich Joseph versprochen, einem wohlhabenden Baumeister und Witwer. Als Marias Schwangerschaft ruchbar wurde, versetzte man Pantera in eine andere Garnison. Joseph hatte die menschliche Größe, Maria dennoch zu ehelichen und den Jungen an Vaters Statt anzunehmen.
Jesus schämte sich seiner Herkunft nicht und nannte sich später sogar Yesho Ben Pantera: Das heißt, Jesus, Sohn des Pantera.
Dies ist die Summe der historischen Fakten von Jesu Geburt. Sollten tiefere Geheimnisse um dieses Ereignis sich ranken, entziehen sie sich jedenfalls dem Blick der WurmCam.
Es gab weder eine Volkszählung noch eine Wanderung nach Bethlehem, weder einen Stall noch eine Krippe, weder Schafe noch Hirten, weder die Heiligen Drei Könige noch einen Stern der Weisen. Mit diesen Ausschmückungen wollten die Evangelisten zeigen, dass mit dem Knaben eine Prophezeiung sich erfüllt hatte.
Die WurmCam beraubt uns vieler Illusionen über uns selbst und über die Vergangenheit. In den Augen mancher Leute ist die WurmCam ein massentherapeutisches Werkzeug, das uns zur Selbsterkenntnis befähigt. Mag sein. Aber es muss schon ein hartgesottener Mensch sein, den die Entzauberung der Weihnachtsgeschichte nicht anrührt…!
Er stand an einem Strand. Die Hitze legte sich wie eine schwere Decke über ihn, und Schweiß perlte auf der Stirn.
Zur Linken erhoben sich grüne Hügel, und zur Rechten plätscherte ein blauer See ans Ufer. Am diesigen Horizont sah er Fischerboote, die wie braun-blaue Scherenschnitte wirkten. An der nördlichen Gegenküste des Sees, etwa fünf Kilometer entfernt, machte er eine Stadt aus, die aus einer Ansammlung brauner Häuser mit flachen Dächern bestand. Das musste Kapernaum sein. Die Suchmaschine hätte ihn in einem Lidschlag dorthin
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