Das Licht ferner Tage
und sogar etwas wie Schuldgefühle schienen in ihm um die Vorherrschaft zu ringen. »Denk mal nach. Dein Bruder ist ein brillanter Physiker – obwohl ich mit diesem Wort eher sparsam umgehe. Er wird vielleicht für den Nobelpreis nominiert. Und was mich betrifft…« Er hob die Hände. »Ich habe das alles aus dem Nichts aufgebaut. Ein Depp hätte so etwas niemals geschafft. Aber du…«
»Willst du damit sagen, es läge am Implantat?«
»Ich bin damals ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Kreativität geht einher mit Depression. Hochintelligente Menschen leiden oft an Zwangsneurosen. Ich könnte viele Beispiele nennen. Um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, muss man keine Koryphäe sein. Ein Schauspieler tut’s auch. Stimmt’s oder hab ich Recht?« Er streckte die Hand nach Bobbys Wange aus, als ob er ihn wie einen dummen Schuljungen kneifen wollte.
Bobby wich zurück. »Du hast das x-mal zu mir gesagt, als ich noch ein Kind war. Nur dass ich damals nicht wusste, wie du das gemeint hast.«
»Komm schon, Bobby.«
»Du hast es getan, stimmt’s? Du hast Kate eine Falle gestellt. Du weißt, dass sie unschuldig ist. Und du hast veranlasst, dass man an ihrem Gehirn rumpfuscht. Genauso, wie du an meinem rumgepfuscht hast.«
Hiram stand für einen Moment da und ließ dann die Arme sinken. »Scheiß drauf. Geh meinetwegen zu ihr und vergrab dein Gesicht in ihrer Muschi. Du kommst doch immer wieder angekrochen, du kleiner Scheißer. Ich habe zu tun.« Er setzte sich an den Schreibtisch, und bald leuchtete sein Gesicht im Widerschein glühender Zahlenkolonnen. Es war, als ob Bobby für ihn nicht mehr existierte.
Nach ihrer Freilassung nahm Bobby sie mit nach Hause.
Sie hatten die Wohnung kaum betreten, als sie überall die Vorhänge zuzog, das Tageslicht aussperrte und dunkle Räume fabrizierte.
Dann zog sie die Kleidung aus, die sie seit dem Verlassen des Gerichtssaals getragen hatte, und warf sie zum Müll. Er legte sich schon einmal ins Bett und hörte, wie sie im Dunklen ausgiebig duschte. Dann schlüpfte sie zu ihm unter die Decke. Sie war kalt und zitterte, und das Haar war noch feucht. Offensichtlich hatte sie kalt geduscht. Er hinterfragte das aber nicht, sondern hielt sie, bis seine Wärme sie durchdrungen hatte.
»Du musst dickere Vorhänge besorgen«, sagte sie dann im Flüsterton.
»Dunkelheit bietet keinen Schutz vor einer WurmCam.«
»Das weiß ich selbst«, sagte sie. »Und ich weiß auch, dass man jedes Wort hört, das wir sprechen. Wir brauchen es ihnen aber nicht zu leicht zu machen. Ich halte es nicht mehr aus. Hiram hat mich geschlagen, Bobby. Nun will er mich auch noch zerstören.«
Genauso wie Hiram mich zerstört hat, sagte er sich.
»Wenigstens bist du nicht zu einer Haftstrafe verurteilt worden«, tröstete er sie. »Wenigstens haben wir noch uns.«
Sie knuffte ihn so heftig in die Brust, dass es schmerzte. »Das ist der Knackpunkt. Schnallst du das nicht? Du wirst nicht mehr mich haben. Wenn sie mit mir fertig sind, wird es mich nämlich nicht mehr geben. Ich werde nicht mehr der Mensch sein, der ich einmal gewesen bin.«
Er umklammerte ihre Faust, bis sie sich entspannte. »Es ist nur eine Umprogrammierung…«
»Ich leide angeblich am Syndrom E. Krämpfe in der Großhirnrinde und im vorderen Stirnlappenbereich, die durch neuronale Überaktivität verursacht werden. Eine Reizüberflutung vom Kortex verhindert, dass Gefühle ins Bewusstsein dringen. Nur so vermochte ich ein Verbrechen zu begehen, das gegen den Vaters meines Freunds gerichtet war – ohne Gewissen, Reue und Scham.«
»Kate…«
»Außerdem soll ich gegen den Gebrauch der WurmCam konditioniert werden. Verurteilten Straftätern wie mir wird der Zugang zu dieser Technologie verwehrt. Man wird falsche Erinnerungsfährten in der Amygdala legen, dem Sitz der Emotionen. Ich werde eine solche Abneigung gegen die WurmCam entwickeln, dass ich ihren Gebrauch oder die Betrachtung der Ergebnisse nicht mal in Betracht ziehe.«
»Wenn das alles ist…«
Sie stützte sich auf die Ellbogen. Ihr Gesicht hing im Zwielicht vor ihm, und die Augen glichen glühenden Kohlen. »Wie, du verteidigst sie auch noch? Ausgerechnet du?«
»Ich verteidige niemanden. Zumal ich nicht glaube, dass es sie gibt. Jeder, der in diese Angelegenheit verwickelt ist, hat nur seinen Job gemacht: Das FBI, die Gerichte…«
»Und Hiram?«
Die Antwort blieb er ihr schuldig. »Ich will dich jetzt nur fest halten«, sagte er.
Sie seufzte und
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