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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Frau am Arm fest. Sie bot ein Bild des Jammers. Ihr Gewand war zerrissen, das Haar verfilzt, und das schöne Gesicht war verweint. Sie wurde von zwei Männern in prächtigen klerikalen Gewändern flankiert. Vielleicht waren sie Priester oder Pharisäer. Sie zeigten mit dem Finger auf die Frau, gestikulierten wild und zankten sich mit einer Gestalt, die – von der Menge verborgen – im Staub hockte.
    David fragte sich, ob dieser Zwischenfall im Evangelium verzeichnet war. Vielleicht war das die Frau, die wegen Ehebruchs verurteilt worden war, und die Pharisäer versuchten jetzt, Jesus mit ihrer Dialektik aufs Glatteis zu führen, um Ihn als Gotteslästerer zu entlarven.
    Der Mann im Staub wurde von einer Phalanx aus Freunden geschützt. Es waren kräftige Männer, vielleicht Fischer, welche die Menge mit sanfter Gewalt auf Distanz hielten.
    David, der sich wie ein Geist der Szene näherte, sah, dass ein paar Leute und zögernd das Kleid der Frau berührten, und ihr sogar übers Haar strichen.
     
Das Opfer Christi ist nicht die einzige Wurzel des Christlichen, wenn man dieses auch in vielen Jahrhunderten die Menschen hat glauben machen wollen. Nach dem, was ich gesehen habe, erhebt Er sich in dem Moment über die Menschen, als Pilatus Ihn, der schon halbtot ist, von den Soldaten quälen und von Seinen Landsleuten verspotten lässt.
    Im Angesicht des Todes, als Er sich von Gott verlassen fühlte, hätte Jesus verzagen müssen. Er hat aber Haltung bewahrt. Er war ein Mensch seiner Zeit, besiegt, aber nicht geschlagen. Er ist Gandhi, Er ist der Heilige Franziskus, Er ist Wilberforce, Er ist Elizabeth Fry, Er ist Vater Damianus unter den Aussätzigen. Er ist Sein Volk und verkörpert das Leid, das es im Namen der Religion erdulden musste, die in Seinem Namen gegründet wurde.
    Die großen Religionen der Welt gerieten in eine Krise, als sie sich ihren Ursprüngen und der Vergangenheit stellen mussten. Keine Religion hat eine ›weiße Weste‹, und ein paar Glaubensgemeinschaften sind letztlich daran zerbrochen. Religion ist aber nicht nur eine Sache der Moralität und des Personenkults. Sie handelt auch vom Übersinnlichen, einer höheren Dimension unserer Natur. Es gibt immer noch Menschen, die nach höherer Erkenntnis streben und nach dem Sinn des Lebens suchen.
    Die an Haupt und Gliedern reformierte Kirche bietet vielen Menschen Trost, die durch die Zerstörung der Privatsphäre und die Revision historischer Wahrheiten verunsichert sind.
    Vielleicht haben wir Jesus verloren. Aber wir haben Jesus auch gefunden. Und Sein Vorbild vermag uns in eine unbekannte Zukunft zu führen – selbst wenn diese Zukunft von der WurmCam bestimmt wird und die Religion sich mit rein seelsorgerischen Aufgaben bescheiden muss.
    Die Geschichte hält noch immer Überraschungen bereit: Eine der seltsamsten und zählebigsten Legenden über das Leben Jesu hat sich wider Erwarten bestätigt…
     
    Ein hagerer Mann saß im Staub. Sein Haar hatte sich stark gelichtet und war vor der Zeit ergraut. Sein Gewand war staubig und schleifte im Schmutz. Er hatte eine kühne Nase und schwarze Augen, in denen Temperament und Intelligenz sich spiegelten. Er wirkte zornig und zeichnete mit dem Finger Figuren in den Staub.
    Dieser stumm vor sich hinbrütende Mann hatte die Aura eines Pharisäers; auch ohne dass er sich als solcher zu erkennen gab.
    David ging auf ihn zu. Unter den Füßen spürte er den Staub des Marktplatzes von Kapernaum. Er streckte die Hand nach dem Saum des Gewandes aus…
    … Natürlich stachen die Finger durchs Tuch hindurch, und trotz der sich verdunkelnden Sonne spürte David nichts.
    Der Mann im Staub hob den Kopf und schaute David in die Augen.
    David schrie auf. Das Licht von Galiläa erlosch, und das besorgte Gesicht von Bobby schwebte über ihm.
     
Als junger Mann begab Jesus sich mit Seinem Onkel, Joseph von Arimathea, auf Geschäftsreise und besuchte das Zinnrevier von Cornwall.
    Mit ein paar Kameraden reiste Er weiter ins Landesinnere bis nach Glastonbury – damals ein wichtiger Hafen –, wo Er von den Druiden lernte und beim Entwurf und Bau eines Hauses half: an der Stelle, wo später die Abtei von Glastonbury errichtet wurde. Die Erinnerung an jenen Besuch wird in der Folklore wachgehalten.
    Wir haben viel verloren. Im grellen Schein der WurmCam hat sich so manche historische Begebenheit als Hirngespinst erwiesen: Atlantis hat sich in Luft aufgelöst, König Artus wurde ins Schattenreich verwiesen, aus dem er im

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