Das Licht Von Atlantis
die Sch-Schwarzmäntel würden ihren einzigen Wert darin sehen, sie als Opfer darzubringen! Oder w-weil die Lichtgeborenen sie verdorben haben, ist sie in ihren - in ihren Augen nicht mehr die - die Inkarnation von -« Reio-ta brachte das Wort nicht über die Lippen; er erstickte fast daran.
Auch Domaris wollte die Zunge nicht gleich gehorchen. Schließlich brachte sie entsetzt heraus: »Die Priester des Lichts würden dort sicher -«
»Sie würden sich nicht einmischen. Die Priester des Lichts -« Reio-ta sah Domaris flehend an. »Sie haben Riveda und seinen Samen verflucht! Sie würden nichts unternehmen, um sie zu retten. Und jetzt, wo dies Kind verschwunden ist, wird - Deoris in Sicherheit sein.«
Domaris begrub ihr Gesicht in dem Fetzen, der den schlafenden Säugling umhüllte. Nach langer Zeit hob sie den Kopf und öffnete tränenlose Augen. »Ja«, murmelte sie - »auch das ist Karma...« Dann sagte sie zu Reio-ta: »Ich werde mit der zärtlichsten Liebe für sie sorgen - das schwöre ich!«
2. DER MEISTER
Reio-ta reichte Domaris die Hand, und sie umklammerte sie mit einem Griff, der ihre Angst vor dieser neuen Aufgabe verriet. Doch ihr Gesicht war heiter in seiner lieblichen, beherrschten Ruhe. Die Augen des jungen Mannes streiften sie unter dunklen Wimpern mit einem anerkennenden Blick. Seine freie Hand schob den schweren Sackvorhang beiseite, der den Innenraum abschirmte. Ihre Hand lag kalt in der seinen, und das Gefühl der Verlassenheit schien von ihr auf ihn überzuspringen. Sie war gefasst - doch er erinnerte sich unwillkürlich an den Augenblick, als er die zitternde Deoris vor den Rat der Fünf geführt hatte.
Die Erkenntnis überfiel Reio-ta so heftig, dass es ihm vor sich selber grauste. Seine Reue war wie ein wildes Tier, das ihn ansprang und in seinen Eingeweiden wühlte; eine Lebenszeit, ein Dutzend Lebenszeiten konnten nicht auslöschen, was er getan hatte! Und der plötzliche Blick in die Seele der Frau an seiner Seite, die seine Schwester hätte werden sollen, war eine weitere Qual. Sie war so verzweifelt, so völlig allein!
So behutsam, als wolle er sie um Entschuldigung bitten, zog er sie in die karg eingerichtete innere Kammer. Sie erblickten einen hochgewachsenen, schmalgesichtigen alten Mann, der auf einer einfachen Holzbank saß. Er stand auf und schien sie schweigend zu mustern. Erst viele Monate später erfuhr Domaris, dass der alte Mann von Geburt an blind war.
Reio-ta sank vor ihm auf die Knie, um seinen Segen zu empfangen. »Meister und Herr«, sagte er demütig, »ich bringe N-Nach-richt von Micon. Er ist als Held gestorben - und für eine edle Sache -, ich aber habe Schuld auf mich geladen.«
Lange Zeit herrschte Schweigen. Endlich streckte Domaris dem alten Mann beschwörend die Hände entgegen. Er bewegte sich, und sogleich bekam auch Reio-tas in seiner Selbstanklage erstarrtes Gesicht wieder Leben. Er blickte zu dem alten Rathor auf und fuhr fort: »Ich b-bringe dir Domaris, die Mutter von Micons Sohn.«
Der alte Meister hob die Hand und sprach einen einzigen Satz. Die Güte in seiner Stimme begleitete Domaris von jetzt an bis zum Augenblick ihres Todes. »All das weiß ich, und mehr.« Er hob Reio-ta auf, zog ihn an sich und küsste den jungen Priester auf die Stirn. »Das ist Karma. Gib deinem Herzen die Freiheit, mein Sohn.«
Reio-ta kämpfte darum, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »M-Meister -«
Jetzt wollte auch Domaris um Rathors Segen niederknien, aber der Meister ließ es nicht zu. Er beugte sich nieder und berührte den Saum ihres Gewandes mit den Lippen. Domaris holte erschrocken Luft und half dem alten Mann schnell auf die Füße. Rathor hob die Hand und zeichnete ein seltsames Symbol auf ihre Stirn - es war das gleiche Symbol, mit dem Domaris Micon gegrüßt hatte, als sie ihn zum erstenmal sah. Das Lächeln Rathors war wie ein niemals endender Segen... Er trat zurück und setzte sich wieder auf seine Bank.
Verlegen ergriff Reio-ta Domaris' Hände. »Du darfst nicht weinen«, bat er und führte sie hinaus.
3. KLEINE SÄNGERIN
Mit der Zeit gewöhnte sich Domaris einigermaßen in Ahtarrath ein. Immerhin hatte Micon hier gelebt und hatte dieses Land geliebt - mit solchen Gedanken versuchte sie sich zu trösten. Trotzdem brannte das Heimweh in ihr und ließ sich nicht überwinden.
Sie liebte die großen grauen Gebäude, massig und imposant, die so ganz anders waren als die niedrigen, weißschimmernden Häuser des Alten Landes, wenn auch auf ihre Weise
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