Das Licht Von Atlantis
sich über seine Hand und küsste sie.
Rajasta nahm sie in die Arme. »Die Götter wachen über dich, Tochter«, stieß er hervor und küsste sie auf die Stirn.
»Oh, Rajasta, ich werde es nicht ertragen können!« schluchzte Domaris. »Micail - mein Kind! Und Deoris -«
»Still!« befahl Rajasta streng und löste ihren Griff von seinem Arm. Doch er wurde gleich darauf wieder milder. »Es tut mir leid, Tochter. Es lässt sich nichts daran ändern. Du musst es ertragen. Und wisse: meine Liebe und mein Segen folgen dir, geliebte Tochter - jetzt und immerdar.« Der Wächter hob die Hand und zeichnete ein archaisches Symbol in die Luft. Bevor Domaris darauf reagieren konnte, drehte Rajasta sich auf dem Absatz um und ging schnell von Bord. Domaris starrte ihm verwundert nach und fragte sich, warum er ihr - einer zum Exil Verurteilten - das Zeichen der Schlange gegeben hatte.
Ein Irrtum? Nein - einen solchen Irrtum beging Rajasta nie .
Nach einer Zeit, die ihr sehr lange vorkam, hörte Domaris das Klirren der Ankerketten und von den Ruderbänken Sprechgesang. Sie stand immer noch an Deck und strengte ihre Augen an, um in der sich verdichtenden Dunkelheit einen letzten Blick auf ihre Heimat zu werfen, auf den Tempel, in dem sie geboren war und von dem sie sich ihr Leben lang nie weiter als eine Meile entfernt hatte. Sie verharrte immer noch auf ihrem Platz, nachdem sich schon lange die Nacht zwischen das über das Wasser gleitende Schiff und die unsichtbare Küste niedergesenkt hatte.
Es war eine mondlose Nacht, und es dauerte lange, bis Domaris merkte, dass jemand neben ihr kniete.
»Was ist?« fragte sie tonlos.
»Domaris -« Die flache, zögernde Stimme Reio-tas war neben den Schiffsgeräuschen kaum zu hören. »Du musst nach unten kommen.«
»Ich möchte lieber hier bleiben, Reio-ta. Ich danke dir.«
»Du musst - da et-etwas, das ich d-dir zeigen muss.«
Domaris seufzte und wurde sich plötzlich der Kälte, ihrer verkrampften Muskeln und ihrer Müdigkeit bewusst. Sie stolperte auf ihren gefühllos gewordenen Beinen, und Reio-ta trat schnell an ihre Seite und stützte sie.
Sofort richtete sie sich auf, aber der junge Priester bat: »Nein, stütze dich auf mich, Domaris -«, und sie seufzte und erlaubte ihm, ihr zu helfen. Wieder dachte sie mit einem seltsamen Gefühl der Erleichterung, dass er mit Micon wirklich überhaupt keine Ähnlichkeit hatte.
Die Domaris zugewiesene kleine Kabine wurde von einer einzigen schwachen Lampe erhellt. Die Sklavinnen - es waren fremde Frauen, denn Elara hatte sie nicht bitten können, ihren Mann und ihre neugeborene Tochter zu verlassen - hatten daraus einen ordentlichen und gemütlichen Raum gemacht. Der erschöpften Domaris kam er warm und einladend vor. Es roch leicht nach Essen und ein bisschen nach dem stechenden Qualm der Lampe. Aber all diese Dinge vergaß sie sogleich, denn ihr Blick fiel auf ein in einen blauen Schal gewickeltes Bündel, das zwischen den Kissen auf dem niedrigen Bett lag... ungeschickt in die Überreste einer befleckten blauen Robe gehüllt, bewegte es sich, als sei es lebendig...
»Meine verehrte, liebe, ältere Schwester«, erklärte Reio-ta demütig, »ich möchte d-dich bitten, meine anerkannte Tochter in d-deine Obhut zu nehmen -«
Domaris schwankte und fuhr sich mit den Händen an die Kehle. Dann begriff sie. Mit einem sofort wieder unterdrückten Aufschrei nahm sie das Kind in die Arme. » Warum hast du das getan? « flüsterte sie.
Reio-ta senkte den Kopf. »Es t-t-tut mir leid, dass ich sie ihrer Mutter wegnehmen musste«, stammelte er, »aber es war - es war - du weißt so gut wie ich, dass es ihr Tod gewesen wäre, hätte ich sie dort gelassen! Und - es ist mein gesetzliches Recht, meine T-Toch-ter mitzunehmen, wohin es mir gefällt.«
Mit tränennassen Augen drückte Domaris das Kind an sich, während Reio-ta nüchtern darstellte, was sie selbst sich nicht hatte eingestehen wollen.
»Die Graumäntel und die Schwarzmäntel - und täusche dich nicht, es gibt immer noch Schwarzmäntel, und es wird welche geben, bis der Tempel ins Meer fällt - und vielleicht noch länger! Beide würden dies Kind nicht am Leben lassen - sie h-halten sie für ein Kind des Dunklen Schreins!«
»Aber -« Domaris riss die Augen auf. Sie zögerte, die Frage zu stellen, die seine Worte in ihr wachgerufen hatten - aber Reio-ta erriet schnell ihre Gedanken. Er lachte kurz auf.
»Für die Graumäntel symbolisiert sie ein Sakrileg«, erläuterte er. »Und
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