Das Licht Von Atlantis
anerkannt. Ein paar, nur ganz wenige konnten die gleiche Stellung erringen wie ein Mann, und es würde sicher schwer sein, unter ihnen für Deoris einen Platz zu finden.
»Sag mir, Deoris«, fragte Riveda plötzlich, »hast du lange im Haus der Mutter gedient?«
Sie zuckte die Schultern. »Nur für die Grundausbildung, der sich alle Frauen unterziehen müssen.« Sie sah dem Adepten kurz in die Augen, wandte den Blick jedoch sofort wieder ab und murmelte: »Ich habe einen Monat lang bei Karahama gearbeitet.«
»Sie hat mir von deiner Begabung erzählt.« Riveda hielt inne. »Vielleicht lernst du das alles gar nicht zum erstenmal, sondern erinnerst dich an das, was du in einem früheren Leben gewusst hast.«
Deoris sah ihm von neuem in die Augen, und Verwunderung stand in ihrem Gesicht zu lesen. »Wie meinst du das?«
»Es ist mir nicht erlaubt, darüber mit einer Tochter des Lichts zu sprechen«, lächelte Riveda. »Du wirst es erfahren, wenn du im Tempeldienst aufsteigst.« Da ihre kürzeren Beine mit seinem schnellen Gang nicht Schritt halten konnten, blieb Riveda auf einem kleinen Platz stehen. Von dort hatte man Aussicht auf einen der Bäche, die den Tempelbezirk durchflossen. »Karahama berichtete mir«, fuhr der Adept fort, »dass du zu den Heilern zugelassen werden möchtest. Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen, warum ich dich zu diesem Zeitpunkt nicht aufnehmen möchte.« Dabei beobachtete er sie aus dem Augenwinkel und empfand eine vage Freude über ihre Enttäuschung. »Als Heilerin würdest du ein Kind des Tempels bleiben und nicht zur Priesterin erhoben werden... Sag mir, bist du bereits auf den Pfad des Lichts verpflichtet worden?«
Deoris' Gefühle waren in der letzten Minute einem so raschen Auf und Ab unterworfen gewesen, dass sie zuerst nur wortlos den Kopf schütteln konnte. Dann gewann sie die Beherrschung zurück und erklärte: »Rajasta hat gesagt, ich sei noch zu jung. Domaris hat ihr Gelübde erst geleistet, als sie siebzehn war.«
»Ich würde dich nicht so lange warten lassen«, sagte Riveda, »dennoch gibt es keinen Grund zur Eile -« Er verstummte wieder und blickte ins Weite. Nach einer Weile wandte er sich erneut Deoris zu. »Ich will dir einen Rat geben: Als erstes bemühst du dich um die Initiierung in den untersten Rang einer Priesterin Caratras. Wenn du älter wirst, kommst du vielleicht zu dem Schluss, dass dein wahrer Platz unter den Magiern ist -« Riveda wies ihre Frage mit einer befehlenden Geste ab. »Ich weiß, du willst keine saji sein, und das würde ich dir auch nie zumuten. Doch als initiierte Priesterin Caratras kannst du in ihrem Dienst den höchsten Rang erwerben - oder dem Grauen Tempel beitreten. Die meisten Frauen sind nicht geeignet, den Grad eines Adepten zu erwerben, aber ich glaube, du hast große angeborene Kräfte.« Er lächelte sie an und setzte hinzu: »Ich hoffe nur, du wirst sie auch richtig nutzen.«
Ernst erwiderte sie seinen Blick. »Aber ich weiß nicht wie -«
»Das wirst du noch lernen.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter. »Vertraue mir.«
»Das tue ich«, versicherte sie aufrichtig.
In tiefem Ernst warnte Riveda sie: »Dein Micon hat kein Vertrauen zu mir, Deoris. Vielleicht bin ich ein Mann, dem man besser nicht trauen sollte.«
Deoris blickte unglücklich auf die Steinplatten nieder. »Micon - ist so grausam misshandelt worden -, vielleicht vertraut er deshalb überhaupt niemandem mehr.« So legte sie es sich zurecht, denn den Gedanken, Micon könne recht haben, ertrug sie nicht. Sie wollte unbedingt nur Gutes von Riveda glauben.
Der Adept nahm die Hand von ihrer Schulter. »Ich werde Karahama bitten, dich unter ihre persönliche Obhut zu nehmen.« Dies war das Abschiedswort. Deoris merkte es, dankte ihm schon und ging. Riveda sah ihr nach, die Arme über der Brust gekreuzt. Auf seinen Lippen lag die Spur eines ironischen Lächelns, aber seine Augen blickten nachdenklich. Konnte Deoris das Ideal von Frau sein, das er sich für seine Zwecke vorgestellt hatte? Niemand wusste besser als er, dass Bruchstücke von Erinnerungen aus früheren Leben einem manchmal als Vorahnungen der Zukunft erscheinen... Wenn er den Charakter dieses Mädchens richtig einschätzte, war sie impulsiv, vielleicht sogar ungestüm. Ob sie überhaupt keine Vorsicht kannte?
Doch Riveda wollte sich nicht zu weit von der Wirklichkeit des Hier und Jetzt entfernen. Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ schnellen Schrittes den Platz. Deoris war noch ein
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