Das Licht Von Atlantis
sehr junges Mädchen, und er musste vielleicht Jahre warten, bis er sicher sein konnte, dass er sich in ihr nicht täuschte - aber einen Anfang hatte er immerhin gemacht.
Der Adept Riveda war es nicht gewöhnt, auf etwas, das er haben wollte, zu warten. Aber dies eine Mal mochte das Warten der Mühe wert sein.
11. VON SEGNUNGEN UND FLÜCHEN
Die Hände demütig gefaltet, das Haar in schlichte Zöpfe geflochten, stand Deoris vor den versammelten Priesterinnen Caratras. Es war das letzte Mal, dass sie ihren Skriptorenkittel trug, und er kam ihr bereits fremd vor.
Sie lauschte den ernsten Ermahnungen Karahamas mit großer Aufmerksamkeit, doch innerlich empfand sie Angst, beinahe Panik. Ihre Gedanken rasten und bildeten einen schmerzlichen Kontrast zu den Worten der Priesterin. Von diesem Tag, von dieser Stunde an war sie nicht mehr die »kleine Deoris«, sondern eine Frau, die den Beruf fürs Leben gewählt hatte. Zwar würde sie noch jahrelang nicht mehr sein, als eine Anwärterin auf das Priesteramt, aber das legte ihr bereits die Verantwortung einer Erwachsenen auf...
Nun winkte Karahama sie zu sich. Deoris streckte die Hände aus, wie man es sie geheißen hatte.
»Adsartha, Tochter Talkannons, genannt Deoris, empfange aus meinen Händen diesen Schmuck, den zu tragen du von nun an das Recht hast. Mache weisen Gebrauch davon und entweihe ihn nie«, beschwor Karahama sie. »Tochter bist du der Großen Mutter, Tochter und Schwester und Mutter jeder anderen Frau.«
Sie legte den heiligen Schmuck, den Deoris jetzt bis an ihr Lebensende tragen musste, in die ausgestreckten Hände. »Mögen diese Hände gesegnet sein für die Arbeit der Mutter, mögen sie geheiligt sein.« Karahama schloss Deoris' kleine Finger um die geweihten Edelsteine, hielt sie einen Augenblick fest und schlug dann ein Schutzzeichen darüber.
Deoris war in keiner Weise abergläubisch, dennoch hoffte sie irgendwie, dass eine große, warme, mystische Kraft sie durchfluten werde - und wenn nicht, dass wenigstens die Wände zu sprechen begännen und sie für unwürdig erklärten. Aber sie spürte nichts als dieselbe nervöse Spannung und ein leichtes Zittern in den Waden. Es rührte daher, dass sie während der langen Zeremonie - die offenbar noch nicht zu Ende war - fast bewegungslos dagestanden hatte.
Karahama hob die Arme in einer weiteren rituellen Geste. »Nun soll die Priesterin Deoris gekleidet werden, wie es ihrem Rang entspricht.«
Mutter Ysouda, die alte Priesterin, die sowohl Domaris als auch Deoris ans Licht der Welt geholfen und nach ihrer Mutter Tod für sie gesorgt hatte, führte Deoris fort. Domaris, die die Stelle ihrer Mutter einnahm, begleitete sie in den Vorraum.
Zuerst wurde ihr der flächserne Kittel ausgezogen und ins Feuer geworfen; Deoris stand zitternd und nackt auf dem Steinboden. Mutter Ysoudas abweisendes Gesicht entmutigte die beiden Schwestern. Schweigend, wie es die Vorschrift verlangte, löste Domaris die Zöpfe ihrer Schwester. Die alte Priesterin schnitt das dichte Haar ab und warf die schweren dunklen Locken in die Flammen. Tränen der Erniedrigung standen in Deoris' Augen, als sie ihr Haar brennen sah. Doch sie gab keinen Laut von sich; es war unmöglich, bei einer solchen Zeremonie zu weinen. Mit leuchtenden Augen sah Domaris zu, wie Mutter Ysouda die komplizierten Reinigungsrituale ausführte und die geschorene und geläuterte Deoris in die Gewänder einer Novizin kleidete. Domaris bedauerte nicht, dass Deoris sich zu einer anderen Laufbahn entschlossen hatte als sie selbst; alle waren Teil der Tempelhierarchie, in die sie hineingeboren worden waren, und sie fand es ganz richtig, dass Deoris sich dem Dienst an der Menschheit widmen statt wie sie die esoterische Weisheit des Lichts suchen wollte. Als Deoris in ihrer einfachen Novizenkleidung vor ihr stand, füllten sich Domaris' Augen mit Freudentränen. Sie empfand den Stolz einer echten Mutter auf ein erwachsen gewordenes Kind.
Deoris trug jetzt ein gerade herabfallendes Kleid aus blauem mit weißen Mustern durchwebtem Stoff. Man band ihr einen einfachen blauen Gürtel um die Taille und befestigte ihn mit einer einzelnen Perle - dem Stein der Großen Tiefe, den man unter Lebensgefahr aus dem Leib der Erde geholt hatte und der deshalb ein Symbol für die Geburt war. Um den Hals legte man Deoris ein Amulett aus geschliffenen Kristallen. Später sollte sie lernen, es als hypnotisches Pendel oder als seelischen Kanal zu benutzen, wenn dies bei ihrer Arbeit
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