Das Licht Von Atlantis
auf, als er Micon wahrnahm. Der Chela folgte Riveda geräuschlos. Sein Gesicht war ausdruckslos und sein Blick verschwommen wie eine Schiefertafel, die nur unzulänglich mit einem halbtrockenen Schwamm abgewischt worden ist.
Sie erreichten Micons Gemächer. Einer seiner atlantischen Diener schrie auf, kam gerannt und half Riveda, den bewusstlosen Mann auf sein Bett zu legen. Der Graumantel gab schnell und mit gedämpfter Stimme Anweisungen. Dann begann er mit der Wiederbelebung.
Stumm und ängstlich stand Deoris am Fuß des Bettes. Riveda hatte ihre Anwesenheit vergessen. Die ganze Aufmerksamkeit des Adepten konzentrierte sich auf den Mann, den er behandelte. Leiser als eine Katze schlich sich der Chela wie ein Geist in den Raum und blieb unsicher an der Tür stehen.
Der blinde Mann regte sich auf dem Bett, stöhnte im Delirium und murmelte etwas in atlantischer Sprache. Dann, ganz plötzlich, sagte er mit leiser und überraschend deutlicher Stimme: »Fürchtet euch nicht. Sie können nicht mehr als uns töten, und wenn wir uns ihnen ergeben, wären wir besser tot -« Er stieß einen weiteren qualvollen Seufzer aus. Deoris wurde übel, und sie klammerte sich an das hohe Bettgestell.
Die starren Augen des Chela fanden Micon und wurden deutlich heller. Er gab ein merkwürdiges Geräusch von sich, das halb Keuchen, halb Wimmern war.
»Sei ruhig!« knirschte Riveda wild, »oder geh hinaus!«
Unter den Händen des Graumantels, die ihn sanft berührten, kam wieder Leben in Micon. Erst zuckte er, als kehre sein Bewusstsein zurück - dann wand er sich, tastete um sich, den Kopf krampfhaft zurückgeworfen, den ganzen Körper im Bogen hochgewölbt. Seine verrenkten Hände griffen hilflos ins Leere. Plötzlich schrie Micon schrill in schrecklicher Verzweiflung:
»Reio-ta! Reio-ta! Wo bist du? Wo bist du? Sie haben mich geblendet!«
Der Chela stand zuckend da, als sei er vom Blitz getroffen und unfähig zu fliehen. »Micon!« kreischte er. Er hob die Hände, ballte sie, machte einen Schritt vorwärts - doch der Impuls erstarb, der Funke verlöschte, und die Hände des Chela fielen kraftlos nach unten.
Riveda hob scharf fragend den Kopf und sah, dass der Chela wieder in Stumpfsinn versunken war. Kopfschüttelnd beugte der Adept sich über seinen Patienten.
Micon bewegte sich von neuem, doch diesmal weniger heftig. Er flüsterte: »Rajasta -«
»Er wird gleich kommen«, sagte Riveda mit ungewohnter Sanftheit. Seine Augen richteten sich auf den atlantischen Diener, der den Chela mit großen, ungläubigen Augen anstarrte. »Such den Wächter, du Trottel! Mir ist es gleich, wo oder wie. Geh und finde ihn!« Der Befehl ließ keinen Widerspruch und kein Zögern zu; der Diener machte kehrt und setzte sich in Laufschritt. Er warf nur noch einen flüchtigen Blick zurück auf den Chela.
Deoris, die die ganze Zeit starr und unbeweglich dagestanden hatte, schwankte plötzlich und wäre gefallen, wenn nicht der Chela schnell vorgetreten wäre, den Arm um ihre Taille gelegt und sie festgehalten hätte. Es war die erste vernünftige Handlung, die irgendwer seit seiner Ankunft an ihm gesehen hatte.
Riveda verbarg seine Überraschung hinter der strengen Frage: »Geht es wieder, Deoris? Wenn dich eine Ohnmacht ankommt, setz dich. Ich habe keine Zeit, mich auch noch um dich zu kümmern.«
»Natürlich geht es wieder.« Sie machte sich angewidert von dem graugekleideten Chela los. Wie konnte dieser Geisteskranke es wagen, sie zu berühren!
Micon murmelte: »Meine kleine Deoris -«
»Ich bin ja hier«, beruhigte sie ihn. »Soll ich dir Domaris schicken?«
Er nickte kaum wahrnehmbar. Deoris ging schnell, bevor Riveda sie zurückhalten konnte. Domaris musste vorbereitet werden, sie durfte Micon nicht ohne jede Warnung in diesem Zustand sehen!
Micon seufzte unruhig. »Bist du es, Riveda! Wer ist sonst noch hier?«
»Niemand, Prinz von Ahtarrath«, log Riveda mitleidig. »Versuche zu schlafen.«
»Sonst niemand?« Die Stimme des Atlanters klang schwach und erstaunt. »Das glaube ich nicht. Ich spürte -«
»Deoris war hier, und dein Diener. Sie sind jetzt fort«, erklärte Riveda bestimmt. »Ich vermute, du hast Wahnvorstellungen gehabt, Micon.«
Micon murmelte etwas Unverständliches. Dann erstarb die müde Stimme wieder. Die Falten um seinen Mund verrieten starke Schmerzen; es war, als würden sie von Sorgen, die er nicht in Worte fassen konnte, geradezu eingeschnitten. Riveda hatte getan, was er konnte, und richtete sich darauf
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