Das Licht Von Atlantis
Feststellung, so, als habe er gesagt: Die Sonne geht im Osten auf . Du musst inzwischen erkannt haben, dass ich am Ende aller deiner Wege stehe. »Ja«, überlegte er laut, »jetzt bin ich dessen sicher. Und ich glaube, ich kann eine Frage beantworten, die du mir vor langer Zeit gestellt hast - willst du mit mir kommen?«
Deoris hörte sich selbst sagen: »Natürlich«, und es wurde ihr bewusst, dass sie auch so meinte und dass sie jedes Wort glaubte, das er gesprochen hatte. »Wohin gehen wir denn?«
Riveda betrachtete sie lange stumm. Dann antwortete er: »In die Krypta, wo der Gott schläft.«
Deoris fuhr sich mit den Händen an die Kehle. Das war ein unaussprechliches Sakrileg für eine Tochter des Lichttempels.
»Muss ich wirklich mitgehen?« sagte sie leise, und ihre Stimme war heiser.
Rivedas Hände sanken nieder und ließen sie frei. »Alle Götter der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft sollen mich davor bewahren, dass ich dich jemals zu etwas zwinge, Deoris.«
Hätte er ihr befohlen, hätte er sie gebeten, hätte er versucht, sie zu überreden, dann wäre sie geflohen, aber nach dieser Rede erklärte sie feierlich: »Ich komme mit.«
»Dann komm«, sagte Riveda, und sie lenkten ihre Schritte zur Pyramide. »Heute Abend habe ich dich auf die Zinnen des Tempels geführt. Jetzt werde ich dir die unterirdischen Gewölbe zeigen. Auch sie sind ein heiliges Mysterium.« Er legte die Hand auf ihren Arm; seine Berührung war kalt und unpersönlich. »Pass auf, wohin du trittst, der Hügel ist im Dunkeln gefährlich«, warnte er.
Gehorsam ging Deoris neben ihm her. Er blieb einen Augenblick stehen, wandte sich ihr zu und bewegte den Arm. Doch sie wich ihm ängstlich aus.
»Soso«, murmelte Riveda fast unhörbar. »Meine Frage ist beantwortet, bevor ich sie gestellt habe.«
»Was meinst du damit?«
»Weißt du es wirklich nicht?« Riveda lachte kurz, aber nicht aus Belustigung. »Nun, auch das wirst du vielleicht lernen - aber nach deinem eigenen Willen, immer nur nach deinem eigenen Willen. Vergiss das nicht. Die Höhen - und die Tiefen. Du wirst schon sehen.«
Er führte sie zu dem dunklen Gebäude. Stufen - unzählige, nicht enden wollende Stufen - wanden sich abwärts, immer tiefer ins Halbdunkel. Die indirekte Beleuchtung war so schwach, dass sie keine Schatten warf. Die kalten Steinstufen waren ebenso grau wie das Licht. Das Tapsen ihrer bloßen Füße folgte Deoris in unheimlichen Echos, die unaufhörlich von Wand zu Wand geworfen wurden. Ihr Atem ging rasselnd und schien ihr keuchend auf den Fersen zu folgen. Sie zwang sich weiterzugehen und ließ eine Hand an der Wand entlanggleiten... Sie hatte das Gefühl zu fliegen, obwohl ihre Füße sich weigerten, ihren Rhythmus zu verändern und die Echos ihrer Schritte gleichmäßig waren wie Herzschläge.
Wieder eine Kehre, weitere Stufen. Die Gräue schloss sich um sie, und Deoris erschauerte in einer Kälte, die nicht allein von den feuchten Steinwänden herrührte. Sie watete neben dem graugekleideten Riveda durch grauen Nebel, und die Angst des Eingeschlossenseins drückte ihr fast die Kehle zu. Sie wusste, dass sie im Begriff war, ein Sakrileg zu begehen, und deshalb stach ihr schlechtes Gewissen ihr in die Seele.
Hinunter, immer weiter hinunter führten die Stufen durch Ewigkeiten schmerzender Anstrengung.
Immer wieder wollte sie davonlaufen, aber die Kälte hielt sie fest wie Treibsand. Plötzlich war die Treppe zu Ende. Eine letzte Kehre führte in ein großes Gewölbe, von flackerndem grauen Licht schwach beleuchtet. Scheu trat Deoris in ein tiefes Kellergemach ein und blieb wie erstarrt stehen.
Sie konnte nicht wissen, dass das Abbild des Schlafenden Gottes sich jedem Sucher auf andere Weise offenbarte. Sie wusste nur dies: Vor langer, langer Zeit, weiter zurück, als das kurze Gedächtnis der Menschheit reichte, hatte das Licht über die Finsternis triumphiert und regierte jetzt unumschränkt in der Sonne. Aber in den unendlichen Zyklen der Zeit - das gaben sogar die Priester des Lichts zu - musste die Herrschaft der Sonne irgendwann einmal enden. Das Licht würde zurückfluten zu Dyaus, dem Verhüllten Gott, dem Schläfer... und er würde seine Ketten zerbrechen und in einer langen, chaotischen Nacht das Szepter schwingen.
Mit müden, angestrengten Augen sah Deoris unter dem aus Stein gehauenen Vogel den Mann mit den gekreuzten Händen...
Sie wollte laut schreien, aber die Schreie erstarben ihr in der Kehle. Langsam schritt sie
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