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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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    »Halt!« Rajasta sprang auf und riss das Mädchen auf die Füße. »Bei der zentralen Sonne! Du lügst, oder du hast den Verstand verloren! Ein Junge kann nicht an den Geschlossenen Orten dienen, nur ein jungfräuliches Mädchen oder eine Frau, die rituell vorbereitet worden ist, oder aber - ein Junge kann es nicht, es sei denn, er -« Rajasta war kreidebleich, und jetzt stammelte auch er beinahe unzusammenhängend. »Deoris, was hat er mit Larmin gemacht?«
    Deoris zitterte unter Rajastas schreckerregenden Blick. Sie duckte sich vor dem heftigen, kaum noch beherrschbaren Zorn und dem Ekel im Gesicht des Wächters. Er schüttelte sie rau.
    »Antworte mir, Mädchen! Hat er das Kind kastriert?«
    Sie brauchte ihm nicht zu antworten. Wie aus Angst, sich an ihr zu beschmutzen, riss Rajasta seine Hände von ihr zurück, und als sie zusammenbrach, tat er nichts, um sie vor dem schweren Fall zu bewahren. Was er erfahren hatte, machte ihn körperlich krank.
    Weinend, ja wimmernd kroch Deoris ein Stück auf ihn zu. Er spie aus und schob sie mit einem Fuß von sich weg. »Götter, Deoris - ausgerechnet du! Sieh mich an, wenn du es wagst - du, die Micon Schwester genannt hat!«
    Das Mädchen wand sich in ihrem seelischen Schmerz zu seinen Füßen, aber es lag kein Erbarmen in der Stimme des Wächters: »Auf die Knie! Auf die Knie vor dem Schrein, den geschändet - dem Licht, das du verdunkelt - den Vätern, die entehrt - den Göttern, die du vergessen hast!«
    Deoris, die in Todesangst heftig zitterte, sah das Mitleid, das die schreckliche Wut auf Rajastas Gesicht auslöschte, nicht. Er war nicht blind dafür, dass Deoris freiwillig alle Hoffnung auf Gnade für sich selbst aufs Spiel gesetzt hatte, um Domaris zu retten - doch ihr Verbrechen konnte nur durch eine schwere Buße wiedergutgemacht werden. Mit einem letzten traurigen Blick auf den gesenkten Kopf wandte er sich ab und verließ den Tempel. Er war nicht nur zornig, sondern entsetzt, nicht nur entsetzt, sondern regelrecht krank. Dank seiner Reife und Erfahrung sah er Dinge voraus, die nicht einmal Domaris erkannt hatte...
    Er eilte die Stufen der Pyramide hinunter. Der wachhabende Priester sprang vor, um ihm zu Diensten zu sein - und blieb mit offenem Mund stehen: »Wächter!«
    Rajasta befahl kurz: »Gehe mit zehn anderen und nimm den Adepten Riveda in meinem Namen in Gewahrsam. Legt ihn in Ketten, wenn es notwendig ist.«
    »Den Heiler-Priester, Herr? Riveda?« Dem Wachposten quollen vor Verwunderung die Augen aus dem Kopf. »Den Adepten der Magier - in Ketten?«
    »Den verdammten schmutzigen Zauberer Riveda - Adepten und früheren Heiler!« Mit Mühe senkte Rajasta seine heisere Stimme auf normale Lautstärke. »Dann sucht ihr einen Jungen, etwa elf Jahre alt, Larmin genannt - Karahamas Sohn.«
    Steif erwiderte der Priester: »Herr, verzeiht, die Priesterin Karahama hat kein Kind.«
    Rajasta verlor die Geduld, weil der Priester dermaßen auf der Tempel-Etikette beharrte, die den Namenlosen jede Existenz absprach. Ärgerlich sagte er: »Du wirst einen Jungen im Grauen Tempel suchen, der Larmin gerufen wird - hör mit diesem Unsinn auf und tu nicht so, als wüsstest du nicht, wer er ist! Der Junge soll weder verletzt noch eingeschüchtert, er soll nur an einem sicheren Ort untergebracht werden, von wo er jederzeit vorgeführt werden kann - und wo es unmöglich ist, ihn zu ermorden, um Beweise zu vernichten! Dann gehst du zu -« er überlegte. »Schwöre, dass du die Namen, die ich aussprechen werde, niemanden enthüllst!«
    Der Priester machte das heilige Zeichen. »Ich schwöre es, Herr!«
    »Du gehst zu Ragamon dem Ältesten und Cadamiri und bittest sie, die Wächter hier zur Mittagsstunde zu versammeln. Dann suchst du den Erzpriester Talkannon auf und teilst ihm heimlich mit, dass wir endlich Beweise gefunden haben. Sonst nichts - er wird es schon verstehen.«
    Der Priester eilte davon und ließ - zum erstenmal in gut drei Jahrhunderten - den Tempel des Lichts ohne Wachtposten zurück. Rajasta fiel in Laufschritt, sein Gesicht war grimmig.
     
    Ebenso wie Domaris zögerte er am Eingang zu der verborgenen Treppe. War es klug, fragte er sich, allein hinunterzugehen? Sollte er vielleicht Unterstützung herbeirufen?
    Ein kalter Luftzug stieg aus dem langen dunklen Schacht neben ihm; aus unauslotbaren Tiefen kam ein Laut, fast ein Schrei. Unglaublich weit unten, gedämpft und verzerrt von dem Widerhall, mochte es das Kreischen einer Fledermaus oder das Echo seines

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