Das Licht Von Atlantis
gelangen«, sagte Rajasta sehr leise.
»Und um welchen Preis? Ich finde, mein schwachsinniger Junge ist der glücklichere von beiden. Micon ist leider -« Riveda lächelte »- immer noch fähig, zu denken und sich zu erinnern.«
Zorn stieg in Rajasta auf. »Genug! Der Mann ist mein Gast, wetze du deine spöttische Zunge nicht an ihm! Kümmere dich um deinen Orden und unterlasse es, jemanden zu verhöhnen, der weit über dir steht!« Er wandte dem Adepten den Rücken zu und verließ das Zimmer. Seine festen Schritte hallten auf dem Steinboden wider, bis sie ganz erstarben. Ihm folgte leises Gelächter, aber Rajasta hörte es nicht.
3. DIE VEREINIGUNG
Die Wände der heiligen Kammer waren ringsum mit Fenstern versehen und darüber mit herrlichen Steinmetzarbeiten verziert. Im matten Mondschein fielen schattenhafte Muster auf das einfache Gestühl und die schmucklose Einrichtung. Alles schien geisterhaft und unwirklich. Ein hochgelegenes ovales Fenster ließ die silbernen Strahlen des Mondes auf den Altar fallen, eine pulsierende Flamme leuchtete dort.
Micon zur einen Seite, Rajasta zur anderen, so schritt Domaris durch den dunklen Bogengang. Schweigend nahmen die beiden Männer sie bei der Hand und führten sie zu einem von drei Sitzen, die dem Altar gegenüberstanden.
»Knie nieder«, sagte Rajasta leise, und Domaris gehorchte. Ihr Gewand rauschte. Micon löste seine Hand aus der ihren und legte sie auf ihr Haupt.
»Gewähre dieser Frau Weisheit und Mut, o Großer Unbekannter!« betete der Atlanter. Seine wohlklingende Stimme füllte den Raum, obwohl er verhalten sprach. »Gewähre ihr Frieden und Verständnis, o Unbegreiflicher!« Micon trat einen Schritt zurück, und Rajasta nahm seinen Platz ein.
»Gewähre dieser Frau Reinheit des Wollens und wahre Erkenntnis«, sprach der Priester des Lichts. »Gewähre ihr Wachstum, wie es ihr vonnöten ist, und die Kraft, ihre Pflicht vollkommen zu erfüllen. O Du, der Du bist, lass sie in Dir und durch Dich sein.« Rajasta nahm seine Hand von Domaris' Kopf und zog sich zurück.
Es herrschte vollständiges Schweigen. Domaris fühlte sich seltsam allein, als sie auf der erhöhten Estrade vor dem Altar kniete. Sie hatte kein Rascheln von Gewändern und auch keine Schritte von Sandalen gehört, Micon und Rajasta waren also nicht fortgegangen. Das Hämmern ihres Herzens klang ihr in den Ohren, ein dumpfes Trommeln, das sich zu einem feierlichen Rhythmus verlangsamte und ruhig wurde wie der Lichtschein der Flamme auf dem Altar... Dann hoben die beiden Männer sie auf, alle drei setzten sich.
Domaris' Hände ruhten locker in denen ihrer Begleiter, ihr ruhiges Gesicht war von einer überirdischen Schönheit. Ihr war, als schwebe sie empor, strecke sich aus, um die fernen Sterne zu berühren - und immer noch erfüllte und umgab sie ein regelmäßiges Pochen, das gleichzeitig Ton und Licht war. Domaris' Sinne verbanden sich harmonisch zu einer fast überirdischen Wahrnehmung, bis sie sich völlig jenseits ihrer sonstigen Erfahrungen befand. Mannigfaltige Empfindungen waren in ihr und gingen aus ihr hervor und langsam, ganz langsam, wie über Jahrhunderte hinweg, wich das pulsierende, leuchtende Gleichgewicht der Sterne der heißen Dunkelheit des klopfenden Herzens der Erde. Auch davon war sie ein Teil, das fühlte sie; sie spürte, dass sie war . Mit dieser tiefen Erkenntnis ihres Seins stieg Domaris, wie von dem Wasser des Lebens auf einer Flutwelle getragen, an die Oberfläche ihrer Existenz zurück. Sie befand sich in der heiligen Kammer. Dort war es still und doch nicht still; links und rechts von sich sah sie das Gesicht eines Mannes, verwandelt wie sie selbst. Wie zu einem Wesen vereinigt, atmeten die drei tief, erhoben sich und schritten stumm aus dem Raum. Einen Augenblick lang konnten sie beinahe begreifen, zu welchem Zweck er geheiligt war. Durch dieses Zeremoniell waren Domaris, Micon und Rajasta fortan in enge seelische Verwandtschaft getreten. Kein Außenstehender würde je in ihre neue Gemeinschaft eindringen. Es war ein Erlebnis, das sich nie wiederholen würde, ihnen aber für immer ins Gedächtnis geschrieben war.
4. STURMWARNUNG
Eine kühle Brise bewegte die Blätter, und das Licht, das durch die Zweige fiel, tanzte und schimmerte in Gold und Grün. Rajasta näherte sich auf einem von Büschen gesäumten Pfad und dachte bei sich, was der große Baum und die drei darunter doch für ein hübsches Bild abgaben: Deoris mit ihrem lockigen Haar saß auf einem
Weitere Kostenlose Bücher