Das Licht Von Atlantis
benutzen. In unserer Sprache bedeutet er Eine Tür zur Helligkeit .«
»Das bist du für mich tatsächlich geworden, Geliebte«, murmelte Micon. »Und Deoris?«
»Deoris heißt Kätzchen . Sie schien nicht größer als ein Kätzchen zu sein, deshalb nannte ich sie so.« Domaris streifte Rajasta mit einem Blick. Über den eigenen Tempelnamen zu sprechen, ging noch an, aber man sprach im allgemeinen nicht über den eines anderen. Der Priester des Lichts nickte jedoch nur, und Domaris fuhr fort: »Ihr wirklicher Name auf den Schriftrollen des Tempels ist Adsartha, Kind des Kriegersterns .«
Ein krampfartiger Schauer überlief Micons ganzen Körper: »Im Namen aller Götter, warum ein Name mit so grausamer Bedeutung für deine liebe kleine Schwester?«
Rajastas Gesicht wurde ernst. »Ich weiß es nicht, denn ich habe ihre Sterne nicht selbst gelesen; zur damaligen Zeit war ich in Klausur. Ich hatte immer vor, mit Mahaliel darüber zu sprechen, aber -« Rajasta brach ab. »Eines weiß ich«, stellte er gleich darauf fest, »sie wurde in der Nadir-Nacht empfangen, und ihre Mutter, die wenige Stunden nach Deoris' Geburt starb, teilte mir mit ihrem letzten Atemzug mit, Deoris sei viel Leid vorherbestimmt.« Wieder machte Rajasta eine Pause. Er bedauerte, dass er sich wegen der überstürzten Ereignisse nach Deoris' Geburt nicht die Zeit genommen hatte, Mahaliel, einen Mann von großen Fähigkeiten, nach Deoris' Schicksal zu fragen. Jetzt war der alte Priester schon viele Jahre tot und konnte nicht mehr helfen. Rajasta holte tief Atem und sprach weiter: »Und so behüten wir unsere kleine Deoris zärtlich, damit ihr Kummer durch unsere Liebe gelindert und ihre Schwäche von unserer Kraft gestützt werde - obwohl ich manchmal denke, zuviel Fürsorge macht sie nur schwächer -«
Domaris rief ungeduldig: »Schluss mit all diesen Omina und Vorzeichen! Rajasta, sag mir, werde ich meinem Herrn einen Sohn gebären?«
Rajasta lächelte. Er nahm Domaris ihre Ungeduld nicht übel, denn auch er wollte nur zu gern zum Thema kommen. Er zog aus seinem Gewand eine Schriftrolle. Sie war mit Ziffern bedeckt, die Domaris nicht lesen konnte, obwohl er sie gelehrt hatte, zu zählen und die heiligen Zahlen zu schreiben. Im täglichen Leben rechneten alle bis auf die höchsten Initiierten mit den Fingern; Zahlen waren das bestgehütete Mysterium und wurden niemals leichtfertig für weltliche Zwecke benutzt, denn mit ihrer Hilfe lasen die Priester die Bewegungen der Sterne und bestimmten die Tage und Jahre auf ihren großen Kalendersteinen. Ebenso manipulierten die Adepten durch heilige Zahlen die Naturkräfte, die die Quelle ihrer Kraft waren. Außer den kryptischen Ziffern und ihren Permutationen hatte Rajasta die einfacheren Symbole der Häuser des Himmels gezeichnet - und mit ihnen war Domaris als Akoluthin der Zwölf vertraut. Deshalb bezog sich Rajasta nun nur auf diese Symbole.
»Zu dieser Zeit, im Zeichen der Waage, wurdest du geboren, Domaris. Hier, unter dem Haus des Fuhrmanns, ist Micons Geburtstag. Ich werde jetzt nicht alles vorlesen«, wandte Rajasta sich an den Atlanter, der sich interessiert aufgerichtet hatte, »aber wenn du möchtest, erkläre ich es dir später. Im Augenblick gilt euer beider Interesse sicher vor allem dem Tag, an dem euer Sohn geboren werden wird.«
Domaris stieß bei diesem Wort einen Ruf des Triumphes aus. Micon zog sie leicht an sich.
Umständlich fuhr Rajasta fort und überhörte geflissentlich das Flüstern des glücklichen Paars. »In dieser Stunde, so sagen mir eure Sterne, muss Domaris' Leib den Samen des Lebens unter dem Zeichen des Mondes, der diese Dinge in den Frauen steuert, empfangen haben - und an diesem Tag -« er tippte kurz auf die Karte »- wirst du im Zeichen des Skorpions einen Sohn gebären - vorausgesetzt, dass meine Berechnungen ganz richtig sind.«
Micon runzelte die Stirn. »Doch nicht - in der Nadir-Nacht?«
»Das glaube ich nicht«, beruhigte Rajasta ihn, »aber bestimmt kurz danach. So oder so, vergiss nicht, dass die Nadir-Nacht nicht nur Böses bringt. Wie ich schon sagte, wurde Deoris in der Nadir-Nacht empfangen, und sie ist ein so kluges und liebes Kind, wie man es sich nur wünschen kann. Von dem Tag der Empfängnis, der genau zwischen deinem und Domaris' Geburtstag liegt, geht eine ausgleichende Wirkung aus, die -«
Eine ganze Weile sprach Rajasta so weiter, bis Micon eine Erleichterung anzumerken war, die Rajasta, um die Wahrheit zu sagen, durchaus nicht teilte.
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