Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Der Priester des Lichts hatte viele Stunden über dieser Karte gegrübelt, beunruhigt durch das Wissen, dass Micons Sohn tatsächlich in dieser Nacht böser Vorbedeutung geboren werden konnte. So sehr er es versucht hatte, Rajasta war nicht imstande gewesen, diese Möglichkeit völlig auszuschließen, denn die Zeit der Empfängnis ließ sich nicht mit absoluter Genauigkeit festlegen. Hätte ich Domaris nur besser unterrichtet! dachte er nicht zum erstenmal. Dann wäre sie in der Lage gewesen, den genauen Zeitpunkt selbst zu bestimmen!
    »Für euren Sohn«, endete Rajasta mit einer Spur Belustigung über die Besorgnis dieser zukünftigen Eltern, »habt ihr tatsächlich nichts Schlimmeres zu befürchten, als dass er vielleicht einen besonderen Hang zu Kampf und Streit und eine scharfe Zunge besitzen wird, wie das bei Skorpionen häufig vorkommt.« Er legte die Karte entschlossen beiseite. »Da ist nichts, was eine richtige Erziehung nicht korrigieren könnte. Ich habe aber auch noch andere Neuigkeiten, meine Tochter«, sagte er und lächelte Domaris zu. Sie war, dachte er, schöner denn je. In ihrem Gesicht lag bereits etwas von dem Schimmer und der Heiligkeit der Mutterschaft, eine strahlende Freude, ungetrübt durch die Schatten des Leids - und doch waren auch diese bereits da, vorerst nur als die Spur einer Drohung, aber selbst von dem nicht sehr phantasievollen Rajasta zu erkennen. Der Priester wünschte sich zutiefst, seine Akoluthin beschützen zu können.
    »Die Zeit ist gekommen, dass ich dir Arbeit für den Tempel geben darf«, erklärte Rajasta. »Du bist nun eine Frau und nicht länger unvollkommen.« Er bemerkte den flüchtigen Ausdruck der Unruhe auf Micons Gesicht und beeilte sich, ihm zu versichern: »Hab keine Angst, mein Bruder. Ich werde ihr nicht erlauben, sich zu überanstrengen. Bei mir wird sie rücksichtsvoll behandelt.«
    »Daran habe ich keinerlei Zweifel«, erwiderte Micon.
    Rajasta wandte seine Aufmerksamkeit wieder Domaris zu, deren nachdenkliche Miene große Neugier ahnen ließ. »Domaris - was weißt du über die Wächter?«
    Sie zögerte mit der Antwort. Rajasta, Wächter der Äußeren Tore, war der einzige Wächter, dessen Name je in der Öffentlichkeit genannt wurde. Es gab noch andere, aber niemand im Tempel wusste ihre Namen oder war sich sicher, ob es mehr waren als die Sieben, die bei wichtigen Anlässen im Rat saßen... Eine plötzliche Ahnung weitete ihre Augen.
    Rajasta fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Meine geliebte Tochter, du selbst bist zur Wächterin des zweiten Kreises gewählt worden, zur Nachfolgerin von Ragamon dem Ältesten. Er wird auf seinem Posten bleiben, um dich zu unterweisen, bis du genügend Weisheit erlangt hast. Du wirst auf sein Amt verpflichtet, sobald dein Kind anerkannt worden ist. Allerdings«, setzte er hinzu und lächelte dabei Micon an, »sollen dir damit keine großen Mühen aufgebürdet werden, bis du die Verantwortung für dein Kind wahrgenommen hast. Wie ich die Frauen kenne« - mit zärtlicher Nachsicht betrachtete er seine junge Akoluthin - »wird die Anerkennung deines Sohns für dich ohnehin größere Bedeutung haben, als die eigentlich wichtigere Zeremonie!«
    Domaris stieg das Blut ins Gesicht, und sie senkte die Augen. Wäre ihr diese hohe Ehre zu irgendeiner anderen Zeit widerfahren, hätte der Gedanke sie überwältigt. Jetzt trat er als Nebensache hinter der Feierlichkeit zurück, mit der ihr Kind Zugang zum Leben des Tempels finden würde. »So ist es«, gestand sie.
    Rajastas Lächeln war wie ein Segen. »Keine wirkliche Frau würde anders empfinden.«

8. DIE NENNUNG DES NAMENS
    Es gehörte zu den Aufgaben des Rates der Fünf, Aufzeichnungen über die Priesterkaste zu führen. In ihrer Eigenschaft als Tempel-Älteste prüften sie bei jeder Geburt innerhalb des Bezirks alle mit ihr zusammenhängenden Dinge nach und hielten sie schriftlich fest. Die langen weit fallenden Roben der Ratsmitglieder waren mit kryptischen Symbolen bestickt und bedruckt. Diese Zeichen waren so alt, dass selbst die höchsten Initiierten nur eine nebelhafte Vorstellung von ihrer Bedeutung hatten.
    Seite an Seite standen Domaris und Micon in andächtigem Schweigen vor ihnen. Die Luft war schwer von Weihrauch, der in einem kostbaren alten Filigrankessel niederbrannte. Der letzte Rauchfaden kräuselte sich und löste sich auf. Leise trat ein Akoluth vor und schloss den Metalldeckel des Kessels.
    Zum erstenmal war Domaris in Blau gekleidet, der heiligen

Weitere Kostenlose Bücher