Das Licht Von Atlantis
mit dem ganzen Gewicht eines Toten in den Armen des Priesters.
Rajasta hob den Atlanter hoch, trug ihn zu Bett und ließ ihn behutsam niedergleiten. Er löste den Lederriemen um das Handgelenk des Initiierten, an dem er den Gong befestigt hatte. Rajasta legte das Instrument beiseite. Er feuchtete ein Tuch an und wusch dem bewusstlosen Mann den Schweiß vom Gesicht. Micon machte eine zuckende Bewegung und stöhnte.
Rajasta runzelte die Stirn und presste besorgt die Lippen zusammen. Das Gesicht des Atlanters zeigte eine totenähnliche Blässe, eine wächserne Farbe, die nichts Gutes bedeuten konnte.
Genau das ist es, dachte Rajasta, was mir an der Magie missfällt! Sie schwächt die Starken, und die Schwachen wirft sie um! Es hätte gerade noch gefehlt, dass Micon die eine Gefahr vertrieben hat, nur um dieser anderen zu erliegen!
Wieder stöhnte der Atlanter laut. Rajasta fasste einen plötzlichen Entschluss. Er stand auf, schritt zur Tür und rief einen Sklaven herbei. »Schicke nach dem Heiler Riveda«, sagte der Priester des Lichts.
Man hatte Domaris mit einem Schlafmittel betäubt, und doch konnte sie keine Ruhe finden. Formlose Schatten und Schrecken machten die Nadir-Nacht für sie zu einem verworrenen Alptraum. Es war fast eine Erleichterung, als heftige körperliche Schmerzen das vage Entsetzen vertrieben und sie ganz wachrüttelten. Sie spürte, dass die Geburt ihres Kindes unmittelbar bevorstand.
Einem fatalistischen Impuls folgend, ließ sie weder Micon noch Rajasta benachrichtigen. Deoris war nirgendwo zu finden, und so wusste nur Elara, dass sich Domaris, allein und zu Fuß, wie es der Brauch verlangte, auf den Weg ins Haus der Geburt gemacht hatte.
Und dann kam das lange Warten, anfangs eher ermüdend als schmerzhaft. Domaris ertrug die lästigen Vorbereitungen mit Fassung, denn sie verfügte über zuviel Disziplin, um ihre Kraft im Aufbegehren zu vergeuden. So beantwortete sie Fragen nach allen möglichen intimen Einzelheiten und ließ sich wie ein Tier behandeln und untersuchen (wie eine werfende Katze, sagte sie zu sich selbst und versuchte, sich darüber zu amüsieren statt zu ärgern). All das lenkte ihre Gedanken von ihrem körperlichen Unbehagen ab.
Angst hatte sie eigentlich nicht. Wie alle Tempelfrauen hatte auch sie viele Male in Caratras Tempel Dienst getan, und der Vorgang der Geburt barg für sie keinerlei Geheimnisse. Aber sie hatte ihr Leben lang eine strahlende Gesundheit besessen, und heute war es so gut wie das erste Mal, dass sie selbst Schmerzen litt.
Mit dem kleinen Mädchen, das während der ersten Wartezeit bei ihr Wache halten musste, hatte sie mehr Mitleid als mit sich selbst. Es war nur zu offensichtlich, dass das Kind zum erstenmal bei einer Entbindung zusehen durfte, und es benahm sich verängstigt und unsicher. Das trug nicht gerade zu Domaris' Gelassenheit bei. Sie hasste Stümperei auf jedem Gebiet, und wenn sie eine tiefeingewurzelte Sorge hatte, dann die, in einem Augenblick, wo sie sich nicht selbst helfen konnte, ungeschickten Händen ausgeliefert zu sein... Unvernünftigerweise wuchs ihre Gereiztheit, statt nachzulassen, als die kleine Cetris ihr - um ihr Mut einzuflößen! - erzählte, die Priesterin Karahama persönlich wolle ihr Geburtshilfe leisten.
Karahama! dachte Domaris. Diese Tochter der Winde!
Ihr schien unendlich viel Zeit vergangen zu sein, dabei war kaum der Mittag vorüber, als Cetris nach der Priesterin schickte. Zu Domaris' größter Verwunderung kam Deoris mit Karahama ins Zimmer. Es war das erste Mal seit der Zeremonie, dass Domaris ihre Schwester als Priesterin Caratras gekleidet sah. Im ersten Augenblick erkannte sie das kleine weiße Gesicht unter dem blauen Schleier kaum. Doch noch nie hatte sie sich über einen Anblick so gefreut.
Sie wandte sich ihrer kleinen Schwester zu und streckte die Arme nach ihr aus. Deoris stand erschrocken auf der Schwelle und traf keine Anstalten, sich ihr zu nähern.
Domaris krampfte die Hände zusammen, dass die Knöchel weiß wurden. »Deoris!« flehte sie. Da kam Deoris mit steifen, zögernden Schritten ins Zimmer und blieb wie betäubt bei Domaris stehen, während Karahama die kleine Cetris in eine Ecke zog und ihr mit leiser Stimme Fragen stellte.
Deoris wurde übel, als sie sah, wie die ihr bekannten Qualen Domaris überfielen. Domaris! Ihre Schwester war ihr immer ein bisschen übermenschlich vorgekommen. Die Wirklichkeit erschütterte die heimliche Vorstellung, die sie von Domaris hegte;
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