Das Licht Von Atlantis
Und er hat nicht geschrien! Endlich fange ich an, ihn zu verstehen! Dann lachte sie, beinahe hysterisch, weil ihr einfiel, dass sie einmal zu den Göttern gebetet hatte, sie wolle einen Teil seiner Qualen tragen. Es soll keiner behaupten, die Götter antworteten nicht auf unsere Gebete! Und doch würde ich gern Schlimmeres als das für ihn aushalten! Hier verloren ihre Gedanken wieder den Zusammenhang. So muss das Streckbett der Folterer sein, ein Körper, der auf einem Rad des Schmerzens zerbrochen wird... und so teile ich, was er erduldet hat, um ihn für immer von allem Schmerz zu befreien! Gebe ich Leben oder Tod? Beides, beides!
Schreckliches Gelächter schüttelte sie, bis ihr jede kleinste Bewegung zur unerträglichen Qual wurde. Sie hörte Deoris' Zureden, spürte Hände, die sie zu beruhigen versuchten. Aber ob Deoris schmeichelte oder drohte, nichts konnte Domaris davon abhalten, sich in Hysterie hineinzusteigern. Sie fuhr fort zu lachen, bis das Lachen in krampfhaftes Schluchzen umschlug und sie nichts mehr wahrnahm als den Schmerz und sein plötzliches Aufhören. Weinend lag sie da, vollkommen erschöpft und wusste nicht, was vor sich ging, sie wollte es auch nicht wissen.
»Domaris.« Endlich durchdrang die angespannte Stimme ihrer Schwester das verebbende Schluchzen. »Domaris, Liebling, bitte, versuche, mit dem Weinen aufzuhören, bitte . Es ist vorbei. Möchtest du dein Kind denn nicht sehen?«
Kraftlos und ausgelaugt von den Anstrengungen der Geburt und ihren Sorgen traute Domaris ihren Ohren nicht. Langsam öffnete sie die Augen und sah Deoris, die lächelnd auf sie herabblickte, sich dann abwandte und ihr das Kind entgegenhielt. Es war ein Junge, klein und vollkommen geformt, das runde Köpfchen von einem rötlichen Flaum bedeckt, das Gesicht verzogen. Er brüllte herzhaft gegen die Notwendigkeit an, getrennt von seiner Mutter leben und atmen zu müssen.
Domaris fielen die Augen wieder zu. Deoris seufzte und machte sich daran, das Neugeborene in Leinentücher zu wickeln. Warum ist es einem so unbedeutenden Stück Fleisch erlaubt, so schreckliche Schmerzen zu erzeugen? fragte sie sich nicht zum erstenmal - aber von ihren hehren Gefühlen für ihre Schwester war etwas unwiederbringlich verlorengegangen. Domaris erfuhr nie, wie nahe Deoris daran war, sie dafür zu hassen, dass sie ihr dies Erlebnis aufgezwungen hatte...
Domaris öffnete die Augen wieder, sie war nun ganz ruhig geworden, auch wenn sie noch etwas gehetzt dreinblickte. Sie bewegte fragend die Hand. »Mein Kind«, flüsterte sie ängstlich.
Deoris, die fürchtete, ihre Schwester könne von neuem mit ihrem schrecklichen Schluchzen beginnen, hielt das inzwischen gewickelte und angekleidete Neugeborene so, dass Domaris es sehen konnte. »Hörst du ihn nicht?« fragte sie fröhlich. »Er schreit laut genug für Zwillinge!«
Domaris versuchte sich hochzusetzen, fiel jedoch erschöpft zurück.«Oh, Deoris, gib ihn mir!« flehte sie sehnsüchtig.
Deoris lächelte über dieses unfehlbare Wunder und legte den kleinen Jungen seiner Mutter in den Arm. Strahlend vor Seligkeit drückte Domaris das zappelnde Bündel an sich. Dann stiegen Zweifel in ihr auf, und sie zerrte an seiner Umhüllung. Deoris beugte sich nieder und hinderte sie daran. Auch darüber musste sie lächeln - es war ein weiterer Beweis, dass Domaris sich in nichts von anderen Frauen unterschied. »Er ist vollkommen«, versicherte sie. »Muss ich jeden Finger und jeden Zeh für dich nachzählen?«
Mit ihrer freien Hand berührte Domaris das Gesicht ihrer Schwester. »Kleine Deoris«, sagte sie weich - und hielt inne. Sie hätte das ohne Deoris an ihrer Seite nicht durchmachen wollen, aber sie wollte Deoris nicht durch allzu große Worte in Verlegenheit bringen. Deshalb sagte sie nur: »Ich danke dir, Deoris!« Müde legte sie ihren Kopf neben das Neugeborene. »Armer Kleiner! Ob er wohl ebenso müde ist wie ich?« Ihre Augen öffneten sich wieder. »Deoris! Sag Micon nichts davon! Ich muss ihm unsern Sohn selbst in die Arme legen. Das ist meine Pflicht -« ihre Lippen zuckten, aber sie fuhr mit fester Stimme fort: »und mein unbedingtes Vorrecht.«
»Von mir wird er es nicht hören«, versprach Deoris und nahm das Kindchen seiner widerstrebenden Mutter ab.
Domaris war es, als ob sie träumte, obwohl sie spürte, wie jemand ihr heißes Gesicht und ihren angestrengten Körper mit kühlem Wasser wusch. Gehorsam aß und trank sie, was man ihr an die Lippen hielt, und merkte,
Weitere Kostenlose Bücher