Das Licht Von Atlantis
irgendwie hatte sie geglaubt, bei ihr müsse alles anders sein und gewöhnliche Dinge könnten sie nicht berühren. All das - der Schmerz und die Gefahr und das Blut - würden Domaris sicher erspart bleiben. Nun aber sah sie, dass sie sich getäuscht hatte.
Karahama entließ Cetris, denn den kleinen Mädchen von zwölf und dreizehn wurden nur einfache Aufgaben wie Wache halten, Gänge tun und Botschaften ausrichten übertragen, sie kam zu Domaris und sah sie mit aufmunterndem Lächeln an. »Du kannst dich jetzt ausruhen«, sagte sie freundlich, und Domaris sank dankbar zurück auf das Bett. Deoris half ihr mit flinken, kräftigen Händen. Sie spürte, dass Domaris zitterte und dass es sie große Mühe kostete, nicht um sich zu schlagen oder zu schreien.
Domaris zwang sich, Deoris zuzulächeln. »Mach nicht so ein Gesicht, du dummes Ding!« flüsterte sie. Sie war beunruhigt wegen Deoris - was war nur los mit ihr? Sie hatte Deoris oft bei ihrer Tätigkeit gesehen, denn sie legte Wert darauf, sich über die Fortschritte ihrer Schwester zu informieren. Deshalb wusste sie, dass man Deoris bereits gestattete, ohne Aufsicht zu arbeiten. Sie durfte sogar allein in die Stadt gehen, wenn die Frau eines Kaufmanns oder Arbeiters um die Hilfe einer Priesterin bat. So weit hatte es bisher nicht einmal Elis gebracht.
Karahama bemerkte Domaris' Lächeln und ihre strenge Selbstbeherrschung. Sie nickte befriedigt. Gut! Domaris ist wirklich tapfer! Sie empfand Sympathie für ihre Halbschwester, die mehr Glück im Leben hatte als sie. Nun beugte sie sich über sie und meinte verständnisvoll: »Ich glaube, jetzt wird dir das Warten leichter fallen. Deoris, die Vorschriften sind noch nicht verletzt worden - nur ein wenig gebeugt.« Karahama lachte ein bisschen über ihren kleinen Scherz und verabschiedete Deoris mit den Worten: »Du kannst jetzt gehen.«
Domaris hörte es und bat in plötzlicher Verzweiflung: »O bitte, lass sie bei mir bleiben!«
Deoris schloss sich ihrer Bitte an: »Ich bin auch bestimmt folgsam!«
Karahama lächelte nur nachsichtig und erinnerte sie an das Gesetz: Sie beide wussten doch bestimmt, dass es in Caratras Haus verboten war, der eigenen Schwester Geburtshilfe zu leisten. »Außerdem«, erklärte Karahama mit einer ehrfürchtigen Kopfbewegung, »darf Domaris als eine Initiierte des Lichts nur von Frauen gleichen Ranges betreut werden.«
»Wie interessant«, bemerkte Domaris trocken, »dass meine eigene Schwester nicht gleichen Ranges ist wie ich...«
Karahamas Lippen wurden streng. »Das Gesetz bezieht sich nicht auf die Gleichrangigkeit der Geburt. Sicher, ihr seid beide Töchter des Erzpriesters - aber du bist Akoluthin des Wächters Rajasta und initiierte Priesterin. Du musst von einer Frau entbunden werden, die mit dir als Priesterin auf einer Stufe steht.«
»Hat nicht der Heiler-Priester Riveda ebenso wie du bestätigt, dass Deoris eine gute Geburtshelferin ist?« wandte Domaris ein, obwohl sie in ihrem Innern wusste, dass es keinen Zweck hatte.
Karahama wiederholte mit aller Höflichkeit, Gesetz sei Gesetz, und wenn einmal eine Ausnahme gemacht werde, würde Ausnahme auf Ausnahme folgen, bis das Gesetz gegenstandslos geworden sei. Deoris, die sich fürchtete, ungehorsam zu sein, beugte sich unglücklich über ihre Schwester und küsste sie. Domaris kniff ärgerlich die Lippen zusammen. Diese Bastard-Halbschwester nahm sich heraus, sie über das Gesetz zu belehren und von Gleichrangigkeit zu sprechen - ob nun der Geburt oder der Stellung in der Hierarchie nach! Eine plötzliche Wehe nahm ihr den Protest von den Lippen. Sie ertrug den Schmerz einen Augenblick, dann schrie sie auf, klammerte sich an Deoris' Hände, wand sich vor Qual. Deoris hätte sich nicht losmachen können, auch wenn sie es versucht hätte, und Karahama, die trotz ihrer eisigen Zurückhaltung nicht ohne Mitgefühl zusah, griff nicht ein.
Endlich war der Schmerz vorüber. Domaris hob den Kopf. Schweiß glitzerte ihr auf Stirn und Oberlippe. Ihre Stimme klang messerscharf. »Als Initiierte des Lichts«, schleuderte sie Karahama ihre eigenen Worte zurück, »habe ich das Recht, dieses Gesetz aufzuheben! Deoris bleibt! Weil ich es will! « Sie schloss mit der jeden Widerspruch ausschließenden Formel: »Es sei, wie ich gesagt habe.«
Es war das erste Mal, dass Domaris von ihrem neuen Rang Gebrauch machte und einen Befehl erteilte. Ein kurzes Triumphgefühl durchlief sie, ging aber unter in dem zurückkehrenden Schmerz. Ein
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