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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Abramowitsch und Hieronymos; in Friedrich Hingis' Fall gesellte sich noch eine ungesunde grüne Färbung hinzu, die sich nur deshalb nicht in einem Schwall von Erbrochenem entlud, weil der Schweizer den Tag über kaum etwas gegessen hatte. Einzig el-Hakim schien von allem unberührt zu sein, als scherten ihn weder die heulenden Winde noch die drohende Todesgefahr.
    Aufrecht stand er vorn im Bug, gehalten von Ufuk, der die Arme um ihn geschlungen hatte. Der Alte hatte die Augen geschlossen, auf seinen Zügen lag tiefer Frieden, denn anders als die übrigen Reisenden an Bord der ›Kamal‹ hatte der Weise von Mokattam mit dem Leben abgeschlossen.
    »Festhalten!«, gellte Balakows russischer Befehl, den Sarah inzwischen verstand. Wieder erfasste eine Bö den Auftriebskörper und drückte die Schnauze nach oben, sodass die Gondel zwanzig, dreißig Yards emporschoss und dabei den Felsen erneut gefährlich nahe kam. Sofort lenkte der Kapitän wieder dagegen, und das Luftschiff zog in die andere Richtung. Die eng stehenden Felswände, zwischen denen es hindurchschoss, hatten etwas von einem Labyrinth - das urplötzlich endete, als eine riesige Mauer aus Granit vor dem Bug auftauchte.
    Nicht nur Sarah, auch ihre männlichen Begleiter schrien auf, als es für einen Moment so aussah, als würde der Auftriebskörper samt der Gondel gegen den Fels prallen. Aber dann, buchstäblich im letzten Augenblick, erfasste ein jäher Aufwind das Schiff und riss es fast senkrecht empor.
    Sarah merkte, wie ihr Magen nach unten sackte, und die Luft blieb ihr für einen Moment weg. Instinktiv klammerte sie sich an die Reling, während sie mit vor Schreck geweiteten Augen sah, wie die Abbruchkante der Felswand heranraste!
    Mit atemberaubender Geschwindigkeit flog die Gondel darauf zu, und es hatte den Anschein, als würde zwar der Auftriebskörper darüber hinwegfliegen, die Gondel jedoch, die ein gutes Stück darunter hing, daran zerschellen. Sarah schloss die Augen und schickte ein Gebet zum Himmel, als plötzlich ein hässlich schrammendes Geräusch zu hören war. Die Gondel kippte, und noch einmal öffnete sich der tiefe Abgrund des Sutlej unter ihnen wie ein riesiger, unersättlicher Schlund - dann beförderte eine weitere Bö sie nach oben, und sie hatten den Grat überwunden.
    Sarah riss die Augen auf.
    Vor ihnen lag die Passhöhe.
    Es war geschafft!
    Zum Jubeln war freilich niemandem zumute. Zu groß war der Schrecken, der ihnen in den Gliedern saß, zu grässlich der Atem des Todes, den sie alle gespürt hatten. Zudem erwuchs mit dem Erreichen des Passes schon die nächste Bedrohung: in Gestalt der tibetischen Soldaten, die den nur aus einigen Steinmauern und einem Aussichtsturm bestehenden Grenzposten besetzten!
    Zu beiden Seiten der Passstraße, die sich von Südwesten heraufquälte und den Grat überwand, waren Steine zu künstlichen Haufen aufgetürmt, die von ritueller Bedeutung zu sein schienen; Leinen, an denen bunte, teils zerrissene Gebetsfähnchen im Wind flatterten, waren ringsherum gespannt, sodass die Steinberge wie ein mystisches Tor wirkten, der Zugang zu einer anderen Welt. Links und rechts davon war die Landschaft karg. Graues Gestein übersäte den Bergsattel; der Schnee war längst gewichen, aber nur hier und dort waren einzelne Grasbüschel auszumachen, die sich bei jedem Windstoß ängstlich duckten. Mit dem Einsetzen des Monsuns würde sich dies sprunghaft ändern. Dann würde die Landschaft erblühen, und grüne Wiesen würden sich erstrecken, wo jetzt noch braune Steppe herrschte.
    Aber noch war es nicht so weit.
    Noch hatte weder der Regen eingesetzt noch der Nebel, der den Monsun begleitete und die Höhen verhüllen würde, und so war das Luftschiff, das jäh über die Abbruchkante stieg, gut auszumachen. Natürlich entdeckten die Soldaten es sofort ...
    »Ich zähle sieben«, stellte Abramowitsch fest, der das Teleskop angehoben hatte und hindurchblickte. »Drei auf dem Turm, zwei vor der Hütte, zwei weitere bei den Ponys.«
    Balakow sagte einige Sätze auf Russisch, die dem Ochrana-Mann nicht zu gefallen schienen. »Der Kapitän will landen«, erklärte er, als Hingis ihn fragte, »um die Gondel und den Auftriebskörper auf Schäden zu untersuchen. Aber ich halte das nicht für ratsam nach allem, was wir über Tibet wissen.«
    Sarah hütete sich, es laut zu sagen, aber in diesem Fall war sie Abramowitschs Meinung. Der Kashag, wie der in Tibet regierende Ministerrat genannt wurde, wachte mit Argusaugen

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