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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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fortsetzte, um schließlich in engen Windungen zwischen steilen Felswänden zu verschwinden, stiegen die kahlen Hänge sprunghaft an, und schon bald ging ihr von Schiefergrau durchsetztes Ocker in weite Schneefelder über. Wasserfälle waren hier und dort zu sehen, riesige Katarakte, die von den Gipfeln herabstürzten und zeigten, dass die Zeit der Schneeschmelze eingesetzt hatte, und auch ihrem alten Weggefährten, dem Sutlej, begegneten die Aeronauten wieder.
    Chandra sagte ihnen, dass sie, wenn sie ihm weiter folgten, auf die Stadt Tsaparang stoßen würden, eine Siedlung, die einstmals Hauptstadt eines riesigen Königreichs gewesen sei. Die Archäologin in ihr fand diese Ausführungen durchaus interessant, jedoch konnte Sarah weder ihren Blick von der überwältigenden Schönheit der Landschaft wenden noch an etwas anderes denken als an Kamal, dem sie sich plötzlich so nah und verbunden fühlte wie lange nicht mehr.
    Sollte dies die Welt sein, in die ihr Geliebter nach seinem Erwachen gebracht worden war, so wohnte dieser Tatsache zumindest ein gewisser Trost inne - denn noch an keinem anderen Ort hatte Sarah eine größere Ruhe und innere Kraft verspürt als ausgerechnet hier, am buchstäblichen Ende der Welt.
    Auch el-Hakim schien es zu fühlen; der Weise stand noch immer vorn am Bug und hatte die Arme ausgebreitet, schien die raue, eisig kalte Luft zu genießen, obschon sie auf seine Lungen drückte und sein altes Herz herausforderte. »Al-hamdullilah!« 32 , rief er dabei in seiner Sprache, die außer Sarah nur der junge Ufuk verstand. »Es beginnt!«
    »Was meint Ihr, Meister?«, fragte Sarah.
    »Spürt ihr es denn nicht?«, fragte der Weise und lachte hell, fast wie ein Kind. »Es hat bereits angefangen!«
    »Was faselt der alte Narr?«, wollte Abramowitsch barsch wissen. »Hat er jetzt den Verstand komplett verloren?«
    »Schweigen Sie«, fuhr Sarah ihn an, schon deshalb, weil sie insgeheim fürchtete, der Russe könnte recht haben. »El-Hakim hat mehr Verstand in seinem kleinen Finger als Ihresgleichen im ganzen Kopf. Er sagt, dass etwas beginnt oder anfängt ...«
    »Was er nicht sagt«, meinte der Agent der Ochrana unbeeindruckt. »Und was meint er damit?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte Sarah gereizt, »aber er hat mich noch niemals ...« Sie brach mitten im Satz ab, als sie plötzlich etwas fühlte. Es war ein Eindruck von Bedrohung, weit jenseits von dem, was sie gewöhnlich empfand, fast wie eine höhere Eingabe.
    »Was ist?«, drängte Abramowitsch - als aus der Takelage des Luftschiffs ein gellender Ruf herabdrang.
    Nachdem eine Landung auf dem Bergsattel nicht möglich gewesen war, hatte Balakow Pjetr hinaufgeschickt, damit er den Auftriebskörper nach etwaigen Rissen oder anderen Schäden untersuchte. Dort oben hing der Matrose nun und klammerte sich an das Netz, während er gleichzeitig etwas zu sehen schien, das den übrigen Besatzungsmitgliedern verborgen blieb, weil die ausladenden Formen des Auftriebskörpers es verdeckten. Es war nur ein Wort, dass der Russe ständig wiederholte, anfangs noch gefasst, dann in heller Panik.
    »Was sagt er?«, fragte Hingis.
    »Vögel«, knurrte Abramowitsch nur. »Er schreit irgendwas von Vögeln. Haben denn jetzt alle den Verstand verloren?« Er schaute sich nach Igor um, und der Blick, den die beiden wechselten, schien zu besagen, dass sie sich in jedem Fall gegenseitig den Rücken freihalten wollten, falls es zum Äußersten kam.
    Doch in diesem Augenblick gab auch Sarah, die erneut nach dem Teleskop gegriffen hatte und sich weit aus der Gondel lehnte, um einen Blick gen Osten zu erheischen, einen erschrockenen Laut von sich - denn ihr war klar geworden, was der Matrose meinte.
    Aus den dichten Wolken, die sich über dem Tal ballten, näherte sich etwas. Auf den ersten Blick war es nicht auszumachen, weil es sich beinahe ebenso schwarz und schattenhaft ausnahm wie die Wolken selbst, aber der Blick durch das Fernrohr offenbarte Sarah, dass das Etwas Flügel hatte, mit denen es schlug, und dass es sich atemberaubend schnell näherte.
    »Spürt ihr es denn nicht! Merkt ihr nicht, dass es begonnen hat?«, rief el-Hakim wieder und begann, mit den ausgebreiteten Armen zu flattern wie ein Kind, das einen Vogel nachahmen wollte. »Das ist der Beweis! Nun endlich wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind, denn er ist gekommen, um uns zu empfangen!«
    »Wer, Meister?«, rief Sarah gegen den stärker werdenden Wind und das Kreischen, das er

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