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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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waren bald nur noch niedrige Sträucher auszumachen, die sich in den grauen Fels krallten.
    Ein Pfad wand sich am Wasser entlang, der hin und wieder, wenn eines der Flussufer unpassierbar wurde, über eine höchst abenteuerlich aussehende jhula 30 auf die andere Seite wechselte. Ab und zu waren verstreute Schafe auf den kargen Hängen zu sehen oder Bergbewohner, die ihre schwer beladenen gadhas 31 den Pfad hinauftrieben. Die Dörfer, die die Reisenden von oben sahen, waren wenig mehr als Ansammlungen kleiner, aus Naturstein errichteter Hütten, von denen sich dunkle Rauchfahnen zum Himmel wanden. Die einzige größere Siedlung, so erklärte Chandra, sei die Stadt Chani, die sie am frühen Nachmittag erreichten. Da sie genügend Vorräte hatten, zogen Abramowitsch und Balakow es jedoch vor, das Luftschiff ein gutes Stück oberhalb auf einem Felsplateau zu landen, wo es zum einen vor Blicken aus dem Tal geschützt war und zum anderen auch wirksam verteidigt werden konnte.
    Da die Fahrt bereits in der Nacht begonnen hatte, waren die Akkumulatoren an diesem Tag bereits früher erschöpft als sonst. Während Balakow und Pjetr die kleine Dampfmaschine dazu benutzten, die Kapazität mittels Bewegungsenergie wieder aufzuladen (wobei es sich als zunehmend schwierig erwies, genügend Brennmaterial zu finden), versuchte Abramowitsch, mit Chandras Hilfe das unzureichende Kartenmaterial zu ergänzen; da sich der Inder auch hier kooperativ zeigte, war das Ergebnis durchaus nennenswert. Dennoch hatte Sarah kein Wort der Anerkennung für Abramowitsch übrig. Seit ihrer überstürzten Abreise aus Rampur hatte sie keine Silbe mit dem Russen gesprochen, und sie hatte vor, es auch dabei zu belassen.
    Die Nacht verlief ohne Zwischenfälle, und so konnte die Reise am nächsten Morgen ungehindert fortgesetzt werden. Die nächste Etappe führte weiter den Sutlej hinauf zu einem Dorf namens Poo, das, wie Friedrich Hingis mit augenzwinkerndem Verweis auf die deutsche Bedeutung des Wortlauts bemerkte, auch genauso aussah.
    Am 29. Mai endlich stieg die ›Kamal‹ zum Shipki-La auf.
    Um die dafür erforderliche Flughöhe zu erreichen, musste erstmals auf der Reise Ladung zurückgelassen werden. Da man im Begriff war, in feuchte, schneereiche Regionen vorzustoßen, ließ man die Wasservorräte ab und entledigte sich eines Teils der Ausrüstung. Auch einige persönliche Gepäckstücke mussten zurückbleiben, darunter die Gladstone-Taschen, in denen Sarah und Hingis ihre wenigen Habseligkeiten verstaut hatten.
    Je näher sie der Passhöhe kamen, desto heftiger wurde die Brise, die ihnen entgegenblies und der sich der Antrieb des Luftschiffs mit aller Kraft widersetzte. Nun erst zeigte sich Balakows Geschick, denn dem Kapitän gelang es immer wieder, die konisch geformte Spitze des Auftriebskörpers durch schnelles Gegenlenken in den Wind zu drehen. Hätte eine der heftigen Böen das Luftschiff von der Seite getroffen, wäre es vermutlich gegen den Fels geschleudert worden und abgestürzt.
    Überhaupt ragte der hellgraue Granit, in den sich der Sutlej im Lauf unzähliger Monsune tief eingegraben hatte, immer schroffer und bedrohlicher zu beiden Seiten auf. Mehrmals, wenn Balakow eines seiner gefährlichen Manöver vollführte, kam die ›Kamal‹ den Felswänden gefährlich nah, und es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, was geschehen würde, wenn die dünne Haut des Auftriebskörpers riss - niemand war erpicht darauf, in den türkisblauen Pfuhl zu stürzen, der tief unter ihnen schäumte und brodelte.
    Oft wurde die Gondel von schweren Erschütterungen durchlaufen, sodass Balakow die Anweisung gab, die Passagiere sollten sich mit den dafür vorgesehenen Stricken an die Reling knoten. Sarah tat es mit einem gewissen Fatalismus. Ihr Schicksal war ohnehin auf Gedeih und Verderb an das des Luftschiffs gebunden, warum also nicht auch im wörtlichen Sinne?
    Die Taue knarrten, die Konstruktion der Gondel ächzte. Wie ein waidwundes Tier bäumte sich das aerostat gegen die Gewalten auf, die an ihm zerrten, während der Antriebspropeller stetig, aber immer erfolgloser gegen den Wind ankämpfte. Über den Ebenen und sogar über den Bergen, die sie überflogen hatten, hatte sich das Luftschiff als zuverlässiges Fortbewegungsmittel erwiesen. Nun jedoch, im hohen Gebirge, stieß es an die Grenzen seiner Belastbarkeit.
    Sarah konnte in den Mienen fast aller Mitreisenden einen bekümmerten Ausdruck erkennen, selbst in den Gesichtern von

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