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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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vermutete Sarah, »oder eine Festung oder für einen Palast. Und das Auge scheint einen Blick auf diesen Palast geworfen zu haben. Ja, so könnte es sein ...«
    »Jetzt sind es deine Ängste, die aus dir sprechen«, entgegnete der Alte, »und nicht deine Intuition. Der Kreis steht, wie du vorhin schon vermutet hast, für die Sonne. Gemeint ist das Licht, das am Anfang der Zeit auf diesen Berg gefallen ist.«
    »Ihr ... Ihr wisst, was die Zeichnung darstellt?«, erkundigte sich Sarah, fassungslos vor Staunen.
    »Naram.«
    »Aber warum habt Ihr mich dann raten lassen?«
    »Weil ich wollte, dass du erkennst, welch großes Wissen du in dir trägst, ohne es zu ahnen«, erklärte Ammon, jetzt wieder mit der alten Güte. »Jene Zeichnung zeigt den Nabel der Welt. Oder wie die westlichen Gelehrten ihn nennen: die axis mundi ...«
    »Axis mundi?«, echote Hingis. Abgesehen von dem, was Sarah ihm übersetzte, bekam der Schweizer nicht allzu viel von dem Gespräch mit. Die lateinischen Worte bildeten eine erfreuliche Ausnahme.
    »Dein Gefährte scheint zu wissen, wovon ich spreche«, meinte el-Hakim. »Weißt auch du es?«
    »Nun«, erwiderte Sarah, »im klassischen Altertum glaubte man, dass die Welt einen Mittelpunkt besäße, an dem sie einst ihren Anfang nahm - die sogenannte axis mundi, die Achse der Welt ...«
    »Das ist richtig«, stimmte der Weise zu. »Auch die Kulturen des Ostens kennen einen solchen mystischen Ort. Die Sagen des alten China berichten von ihm ebenso wie jene des Perserreichs oder die indischen Vedas. Er ist im Glauben der Hindus zu finden, der Buddhisten und der Jainas, weswegen er vielen nicht nur als Ursprungsort allen Lebens, sondern auch des Glaubens gilt.«
    »Ein Urmythos«, sagte Sarah leise, die sich dadurch an eine der zentralen Thesen Gardiner Kincaids erinnert fühlte - nämlich dass alle Mythen der Welt letztlich auf dieselben Wurzeln zurückgingen und deshalb, unabhängig davon, wie abenteuerlich sie auch sein mochten, einen wahren Kern besäßen ...
    »Wenn du es so nennen willst.« Ammon nickte. »Jedenfalls behaupten alle diese Quellen einstimmig, dass der Nabel der Welt mit einem Berg gleichzusetzen sei - einem mystischen Berg, der sich am Anfang der Zeit erhoben hat, ganz aus Gold besteht und an dem, jenen Schriften zufolge, die die Inder puranas nennen, vier Flüsse ihren Ursprung haben.«
    »Vier Flüsse«, echote Sarah mit Blick auf die vier Wellenlinien. Wie, fragte sie sich, hatte sie nur jemals daran zweifeln können, dass Ammon el-Hakim auch auf dieses Rätsel eine Antwort wusste?
    Sie übersetzte für Hingis, was sie bislang erfahren hatte, und auch der Schweizer zeigte sich erstaunt. Von der mystischen Weltenachse hatte auch er gehört, jedoch nicht gewusst, dass sie sich in der östlichen Mythologie derart vielfältig wiederfand. »Erstaunlich«, musste er zugeben. »Ganz erstaunlich.«
    »Und all das habt Ihr sofort erkannt, als ich Euch die Zeichnung beschrieb?«, fragte Sarah.
    Der Weise lächelte. »Das war nicht weiter schwierig. Da sich die Sage vom Weltenberg in so vielen Kulturen findet, brauchte ich nur nach den Gemeinsamkeiten zu suchen. Das hat wohl auch der Urheber der Zeichnung getan, weshalb sie sich nicht - wie du es wohl ausdrücken würdest - eindeutig zuordnen lässt. Wer immer die Zeichnung angefertigt hat, war nicht gebildet, sondern ein einfacher Mann.«
    »Das ist richtig«, stimmte Sarah zu. Polyphemos, der ihr den Codicubus übergeben hatte, war ihr ein ebenso treuer wie loyaler Freund gewesen, aber ganz sicher kein Gelehrter.
    »Und die Sonne?«, wollte Hingis wissen. »Was genau hat es mit ihr auf sich?«
    Sarah übersetzte die Frage.
    »Die Sonne steht für das Licht, das auf dem Weltenberg seinen Anfang nahm«, erklärte el-Hakim. »Wie es heißt, stiegen die Götter einst an ihren Strahlen herab. Die puranas berichten von vier Seen, die sich auf dem Gipfel des Meru befinden und an deren Wassern sich die Götter erfrischten. Von einem Quell der Freuden ist die Rede, von Wasser, das ewiges Leben spendet ...«
    »Das Wasser des Lebens«, stieß Sarah hervor.
    »Nun«, meinte der alte Ammon, »wie es aussieht, fügen sich die Steine des Mosaiks allmählich aneinander.«
    »Das passt mit dem zusammen, was wir herausgefunden haben«, pflichtete Friedrich Hingis bei, nachdem Sarah abermals übersetzt hatte. »Wie es heißt, ist das Wasser des Lebens einst aus dem Osten gekommen. Ein jüdischer Geschichtsschreiber namens Josephus, der am Hof Ptolemaios'

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