Das Licht von Shambala
II in Alexandria weilte, brach nach dessen Tod im Jahr 247 vor Christus auf, um sich auf die Suche nach jenem geheimnisvollen Wasser zu begeben. Wohin seine Reise ihn geführt hat, weiß niemand genau, aber viele Jahre später tauchte er in Athen auf und hatte das Lebenswasser ganz offenbar bei sich. Womöglich hat er es aus den Quellen des Berges Meru geschöpft.«
»Und wo befindet sich dieser Berg Meru?«, wagte sich Sarah schließlich an die zentrale Frage, um die alle anderen kreisten.
Ein wehmütiges Lächeln glitt über Ammons Züge. »Das kann ich dir nicht sagen, mein Kind. Die einen behaupten, dass er nur ein Wunschbild sei, eine Entsprechung des menschlichen Verlangens, unsere Wurzeln und Ursprünge zu erforschen.«
»Ich verstehe.« Sarah nickte. »Und was sagen die anderen?«
»Manche behaupten, dass es den Berg tatsächlich gebe. Fern im Osten vermuten sie ihn, hinter schneebedeckten Gipfeln. Aber noch nie ist es jemandem gelungen, jenen Ort zu finden, an dem die Geschichte ihren Anfang nahm.«
»Dann ist es das, wonach das Eine Auge sucht«, folgerte Sarah mit leisem Schaudern. »Meine Feinde haben noch nie etwas ohne Grund getan. Wenn der Berg Meru ihr Ziel ist, muss es dort ein Geheimnis geben, das es zu entschlüsseln gilt. Das dritte Geheimnis, von dem Polyphemos mir erzählt hat.«
»Gemach, mein Kind«, meinte der Alte und hob beschwichtigend die Hände. »All dies sind bislang nur Vermutungen.«
»Vermutungen? Habt nicht Ihr selbst gesagt, dass alles, was bislang geschehen ist, nur eine Vorahnung dessen war, was noch über die Welt hereinbrechen könnte?«, brachte Sarah in Erinnerung. »Wenn der Berg Meru tatsächlich der Ursprung aller Kulturen ist, die Wiege der Zivilisation, dann gibt es dort vielleicht etwas, das noch älter und mächtiger ist als alles, was wir bislang gefunden haben. Womöglich jene neue Waffe, von der Ihr vorhin gesprochen habt.«
»Oder etwas, das noch vernichtender ist, als eine Waffe es jemals sein könnte«, entgegnete der alte Ammon, und seine faltigen Züge nahmen dabei einen so düsteren Ausdruck an, dass Sarah nicht zu fragen wagte, was er mit dieser Bemerkung meinen könnte.
»Ich muss dorthin«, erklärte sie entschieden. »Ich muss den Berg finden und sein Geheimnis entschlüsseln, bevor unsere Feinde es tun.«
»Und du glaubst, das könntest du?« Ein wehmütiges Lächeln glitt über Ammons Züge. »Sagtest du nicht eben selbst, dass deine Gegner nichts ohne Grund tun? Als es darum ging, das Buch von Thot zu finden und das Wasser des Lebens aufzuspüren, haben sie sich deiner bedient, so wie sie sich einst deines Vaters bedienten. Diesmal jedoch scheinen sie deiner Hilfe nicht zu bedürfen, und das lässt nur zwei Schlüsse zu. Entweder sie wissen bereits, wo sich der Berg Meru befindet ...«
»Oder?«, fragte Sarah.
»... oder sie haben jemand anderen, der ihnen an deiner Stelle hilft«, fuhr der Alte fort und überließ es Sarah, sich den Rest dazu zu denken.
»Kamal?« Sie sandte Ammon einen entsetzten Blick. »Ihr denkt, dass Kamal ...?«
»Es muss einen Grund gegeben haben, weshalb sie ihn entführt und der Prüfung durch das Lebenswasser unterzogen haben«, meinte der Weise überzeugt. »Von Anfang an.«
»Natürlich, Ihr habt recht.« Sarah nickte. »Die Gräfin Czerny sagte mir, dass es dabei niemals um mich gegangen wäre, sondern immer nur um Kamal. Jetzt erst verstehe ich, was sie damit meinte.«
»Das bestätigt meine Befürchtung. Worum auch immer es dem Einen Auge geht - Kamal scheint der Schlüssel dazu zu sein.«
»Um so wichtiger ist es, dass ich ihn finde«, beteuerte Sarah nachdrücklich. Trotz der bestürzenden Erkenntnisse war sie froh, eine vage Spur ihres Geliebten gefunden zu haben.
Der Augenblick, in dem sie hilflos hatte zusehen müssen, wie der Fesselballon mit Kamal an Bord gen Osten entschwunden war, hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingeprägt. Selten zuvor in ihrem Leben war sich Sarah so besiegt und machtlos vorgekommen. Das Rad der Zeit zurückzudrehen vermochte sie nicht, aber sie konnte die Folgen jenes tragischen Augenblicks ändern ...
»Wie willst du das anstellen?«, fragte el-Hakim kritisch. »Deine Gegner sind dir um viele Monate voraus. Wahrscheinlich sind sie längst am Ziel.«
»Dennoch«, beharrte Sarah. »Ich darf nicht aufgeben, Meister. Nicht jetzt. Lasst mich teilhaben an Eurem Wissen!«
»Auch mein Wissen ist begrenzt, mein Kind«, wehrte der Alte ab. »Ich weiß nicht, wo
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