Das Licht von Shambala
Inkerman dabei war und andererseits bereit ist, sein Wissen mit einer Britin zu teilen. Yuri ist nicht unsere beste Wahl - er ist unsere einzige.«
»Umso vorsichtiger müssen wir sein.«
»Ich werde ein wachsames Auge auf unseren Führer haben«, kündigte Sarah an.
»Tu das«, erwiderte der Alte daraufhin, »und ich werde beten, dass dein Auge das einzige ist, das auf ihn blickt ...«
K ANAL VON S UEZ , Ä GYPTEN
Z UR SELBEN Z EIT
Der Name des Schiffes war ›Liberté‹, und es fuhr unter französischer Flagge.
Lemont erschien es nur logisch, dass ein Schiff, das ›Freiheit‹ hieß, ihn der Erfüllung all seiner Wünsche und Träume entgegentrug, denn nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war ein Individuum freier gewesen, als er es sein würde. Zu allen Zeiten hatten Philosophen und Denker zu verstehen versucht, was Freiheit bedeutete, hatten ihren Wert erörtert und über ihre Bedeutung räsoniert. Auf die einfachste aller Lösungen war allerdings niemand gekommen.
Freiheit war gleichbedeutend mit Macht!
Während der Schwache fremdbestimmt war und um jedes Quäntchen Freiheit betteln musste, offenbarte sie sich dem Mächtigen in ihrer ganzen Fülle. Wer keine Schranken zu fürchten hatte, keine Gegner und keine Gesetze, der konnte aus ihr schöpfen wie aus einem Quell, der nie versiegte - und eben diese Form von Freiheit trachtete Lemont in seinen Besitz zu bringen.
Macht.
Grenzenlose irdische Macht ...
Viele hatten im Lauf der Jahrtausende danach getrachtet, Männer wie Frauen. Kriege waren um ihretwillen geführt und Intrigen gesponnen worden, Bündnisse geschlossen und wieder gebrochen, Verrat und Mord geübt - doch alle Versuche waren gescheitert. Er hingegen würde zu Ende zu bringen, was weder Alexander dem Großen noch Julius Cäsar, weder Suleiman dem Prächtigen noch Napoleon Bonaparte gelungen war ...
»Beeindruckend«, sagte der Mann, der neben ihm auf dem Achterdeck saß und der Wüste dabei zusah, wie sie zu beiden Seiten des Kanals mit träger Langsamkeit vorüberzog. »Überaus beeindruckend.«
»Oui, Monsieur l'Angleterre«, stimmte Lemont zu und rückte die Brille mit den geschwärzten Gläsern zurecht, mit der er sich vor der ägyptischen Sonne schützte. Obschon es später Nachmittag war, war diese noch immer grell und blendend. »Eine Fahrt durch den Suez-Kanal ist stets ein beeindruckendes Schauspiel. Vor allem, wenn man es zum ersten Mal erlebt.«
Der andere Mann, ein blasser Brite mit einem Allerweltsgesicht, das von einem Tropenhelm begipfelt wurde, schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den Kanal gemeint«, gestand er leise. »Ich sprach von Ihrer eindrucksvollen Leistung. Offen gestanden, hätte ich niemals geglaubt, dass wir uns eines Tages tatsächlich auf diese Reise begeben würden. Nun endlich verstehe ich, warum Sie den Titel eines Großmeisters für sich in Anspruch nehmen.«
»Finalement«, meinte Lemont voller Genugtuung. »Dabei habe ich es Ihnen gesagt, oder nicht? Ihnen allen habe ich es gesagt, als sie meinem Bündnis beigetreten sind, n'est-ce pas?«, fügte er hinzu, an die anderen drei Männer gewandt, die bei ihnen unter den weißen Sonnensegeln saßen, die über das ansonsten menschenleere Achterdeck gespannt waren. Auch auf dem Promenadendeck und in den beiden Salons des Dampfers tummelten sich keine Passagiere, denn Lemont und seine vier Begleiter waren die einzigen Reisenden an Bord der ›Liberté‹.
»Das haben Sie«, bestätigte der Brite. »Aber wenn man bedenkt, dass unsere bisherigen Zusammenkünfte stets in einer fensterlosen Kammer im Untergrund Londons stattgefunden haben, so erscheinen meine anfänglichen Zweifel vielleicht nachvollziehbar.«
»Vielleicht«, gab Lemont zu und grinste. »Wobei ich nie verlangt habe, dass Sie an die Bruderschaft glauben, mon ami, sondern dass Sie in sie investieren. Weder habe ich Ihnen das Seelenheil versprochen noch eine gerechtere Welt. Aber ich habe Ihnen gesagt, dass es sich für Sie auszahlen wird, wenn Sie die Bruderschaft des Einen Auges unterstützen, und dieser Zeitpunkt ist gekommen. Bislang haben Sie lediglich am Royal Stock Exchange gehandelt, Monsieur l'Angleterre. In Zukunft wird er Ihnen gehören. Und die ganze verdammte East India Company gleich mit dazu.«
Der Brite lächelte schwach, während er den Siegelring an seiner Hand betrachtete, der einen kleinen Obelisken zeigte. »Als Sie das erste Mal davon sprachen«, gestand er leise, »dachte ich, Sie hätten den Verstand
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