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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hinunterstiegen, wo Ufuk und der alte Ammon bereits auf sie warteten. Erst, als sie das Schiff verlassen hatten, nahm Sarah ihre bebende Hand von dem Colt Frontier, den sie die ganze Zeit über unter ihrem Kleid getragen hatte.

4.
     
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    Bislang kannte ich Sewastopol nur von den Abbildungen in den »Illustrated News« und aus den Schilderungen der Kriegsveteranen, die die Zeitungen gelegentlich drucken. Dieser Tage nun bekomme ich die Stadt mit eigenen Augen zu sehen, aber der Eindruck, der sich mir vermittelt, ist mehr der einer Festung als einer Siedlung.
    Sewastopol liegt am westlichen Ufer der Krim, an einem Meeresarm, der tief in die Halbinsel hineinreicht und an seinem Südufer eine Ausbuchtung formt, die einen natürlichen Hafen bildet. Zwei Stein gewordene Monumente militärischer Macht beherrschen das gedrungene Häusermeer, das sich rings um die Bucht erstreckt: im Süden die Festung Konstantin mit ihren mächtigen Mauern und Fortifikationen, im Norden die Quarantäne-Batterie, ein mit massiver Artillerie bestücktes Bollwerk, das die Hafeneinfahrt bewacht.
    Während sich der zivile Hafen im Norden der Bucht befindet, ist der Südhafen dem Militär vorbehalten; Sewastopol ist der angestammte Hafen der russischen Schwarzmeerflotte, die sich im Krimkrieg als so nutzlos erwiesen hat. Die massive Aufrüstung und Modernisierung der Flotte, die seither betrieben wurde, ist schon von Weitem erkennbar. Ein Schaudern befällt mich bei dem Gedanken, was geschehen wird, wenn sich gepanzerte, kanonenstrotzende Schlachtschiffe eines Tages im Kampf begegnen werden, denn die Geschichte lehrt uns, dass der Mensch der kindlichen Versuchung, all das, was er ersonnen und gebaut hat, dem praktischen Test zu unterziehen, früher oder später
    Trotz der Rivalitäten, die seit dem Ausgang des Krimkriegs das Verhältnis unserer beider Länder bestimmen, wurde mir von Seiten der russischen Behörden bemerkenswert wenig Widerstand entgegengesetzt. Unserem Antrag, östlich der Stadt archäologische Untersuchungen durchzuführen, hat man ohne Zögern stattgegeben. Auch Meister Ammon und Ufuk bekamen Passierscheine und eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt, obschon zwischen Russland und dem Osmanischen Reich beständige Querelen herrschen. Der Grund hierfür ist in der Unterstützung zu suchen, die der Zar denjenigen Gebieten des Balkans zukommen lässt, die sich aus dem türkischen Reichsverband lösen wollen. Erst vor einigen Jahren wurden Dobrudscha, Montenegro, Bulgarien und Teile Rumeliens dem Osmanischen Reich ausgegliedert. Vor diesem brisanten Hintergrund wundert es mich umso mehr, dass unsere Bestrebungen solch vorbehaltlose
    Selbst das Wetter scheint auf unserer Seite zu sein, denn obschon es dem Hörensagen nach Jahre gibt, in denen das Frühjahr auf der Krim den Vergleich mit einem englischen Winter nicht zu scheuen braucht, zeigt sich das Klima mild und beständig. Der Schnee auf den schroffen Erhebungen, die sich im Osten und Süden der Stadt erstrecken, ist größtenteils abgeschmolzen, und die Mückenplage, die den Sommer oft zur Qual macht, hat noch nicht eingesetzt.
    Unterdessen ist Friedrich mit den Expeditionsvorbereitungen befasst. Die Liste, die wir zusammengestellt haben, umfasst neben Reitpferden und Maultieren eine Vielzahl von Ausrüstungsgegenständen, dazu den Proviant, der für eine mehrwöchige Expedition ins wilde Hinterland Sewastopols benötigt wird. Der junge Ufuk ist Friedrich dabei eine unentbehrliche Hilfe, denn da keiner von uns des Russischen mächtig ist, jedoch viele der in der Stadt ansässigen Händler Türkisch sprechen, muss Ammons Diener sich als Übersetzer betätigen. Da die Besorgungen rasch vonstatten gehen, können wir hoffen, die Stadt schon in wenigen Tagen zu verlassen, und das ist gut so. Denn zum einen hoffe ich, Kamal so wieder ein Stück näher zu kommen, zum anderen werde ich das Gefühl, beobachtet zu werden, einfach nicht los.
    Aus Vorsicht sind wir in keinem der wenigen und ohnehin nicht sehr einladenden Hotels abgestiegen, die Sewastopol zu bieten hat, sondern in einem Gasthaus, das ein gutes Stück vom Hafen entfernt auf der anderen Seite der Bucht liegt, wo uns eine ganze Etage mit einem Aufenthaltsraum und drei Schlafquartieren zur Verfügung steht. Und obschon ich aus Gründen der Diskretion einen, wie Maurice es wohl genannt hätte, nom de voyage benutze, bezweifle ich, dass eine solche Maßnahme den Blick des Einen Auges wirklich

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