Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
Einfall gewesen, sich mit Tarnnamen aus Homers »Ilias« zu bedienen. Sie war Cassandra, Ufuk war Paris, Meister Ammon der alte Priamos, und Hingis selbst hatte sich in aller Bescheidenheit nach dem größten Helden des Trojanischen Krieges benannt ...
    »Chektor sagt, dass Sie mich einstellen.« Der Russe lachte glucksend.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Sie Frau«, stellte er wenig geistreich fest. »Das neue Mode in England, ja?« Wieder kicherte er.
    »Nicht nur in England.« Sie schickte ihm einen wissenden Blick. »Gewöhnen Sie sich schon mal daran. Haben Sie Erfahrung als Führer?«, wechselte sie dann das Thema.
    »Njet.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nur ein einfacher Bauer.«
    »Wieso sprechen Sie dann unsere Sprache?«
    »Yuri im Krieg gefangen«, erklärte er und deutete auf die Stellen an seinem Kopf, wo die Ohren unter der Fellmütze steckten. »Und Yuri gut zuhören, schon immer.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Sarah, die nicht behaupten konnte, dass ihr die letztgenannte Eigenschaft recht gefiel. »Und Sie kennen die Gegend um Inkerman?«
    »Da!« Er schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Selbst war dabei, als großes Töten im Gange! Regiment Selenghinsk, erste Brigade, elfte Division unter General Paulow. Dreitausend junge Männer, die meisten noch nie eine Kugel abgegeben ... In Kopf geschossen ... in Brust und verblutet ... von Granate zerfetzt. Am Ende nur ein paar Dutzend übrig, ich einer davon.«
    »Sie hatten Glück«, sagte Sarah leise.
    »Wenn selbst dabei gewesen, Lady Cassandra, das nicht sagen.«
    Der Russe bedachte sie mit einem undeutbaren Blick. Die Schrecken, die er gesehen hatte, schienen sich selbst nach mehr als dreißig Jahren noch in seinen Augen zu spiegeln, und unwillkürlich fragte sich Sarah, wieso ihr dies bei Gardiner Kincaid nie aufgefallen war. Der Grund war wohl, dass sie ihren Pflegevater nicht anders gekannt hatte. Im Nachhinein jedoch wurde ihr klar, weshalb er bisweilen so still gewesen war und woher seine ablehnende Haltung dem Militär gegenüber rührte.
    »Es tut mir leid, Yuri«, entschuldigte sie sich für ihre Naivität. »Ich kann nicht ermessen, was Sie und Ihre Kameraden damals durchgemacht haben. Aber ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben lassen wollen.«
    »Braucht nicht leidzutun und brauchen auch nicht bedanken.« Wieder ließ er sein löchriges Gebiss sehen. »Sie mich bezahlen, das genug. Vorausgesetzt, mich nehmen.«
    Sarah brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich nehme Sie«, bestätigte sie. »Zu den vereinbarten Konditionen: Sie bekommen die erste Hälfte vor Antritt der Reise, die zweite bei unserer Rückkehr.«
    »Da.« Er grinste noch breiter. »Allmählich verstehe, weshalb Chektor Verchandlungen überlässt Ihnen. Sie schlaue Frau.«
    »Danke sehr.«
    »Aber chaben recht. Können nicht vorsichtig genug sein. Gegend nicht sicher. Banden überall«, fügte Yuri mit zum Flüstern gesenkter Stimme hinzu, wobei er nervös nach der Tür schielte.
    »Was für Banden?«
    »Räuber. Menschen ohne Gewissen.« Er lachte und deutete auf den Colt in Sarahs Hand. »Aber Sie wissen, wie verchandeln.«
    »Allerdings«, bestätigte sie.
    »Werde Sie führen, ohne Sorge. Aber sein wachsam. Briederchen Tod geht um in Inkerman ...« Sein Gelächter steigerte sich in ein hysterisches Kichern, und zum ersten Mal fragte sich Sarah, ob der Russe unter dem Dauerfeuer der britischen Geschütze, das seinerzeit über Paulows Mannen hereingebrochen war, womöglich mehr als nur seine Jugend verloren hatte.
    »Morgen bei Sonnenaufgang brechen wir auf«, gab sie bekannt. »Ich erwarte, dass Sie pünktlich sind. Und nüchtern.«
    »Natürlich.« Er nickte. »Briten immer pünktlich. Sogar wenn töten. Nur nicht um fünf Uhr. Machen Pause für Tee.« Er brach abermals in Gelächter aus, so komisch fand er seinen Scherz, und wandte sich dann zum Gehen. Sarah blickte ihm nach und wartete, bis seine Schritte die Stufen hinab und durch den Schankraum verklungen waren.
    »Was denkt Ihr, Meister?«, fragte er dann.
    »Er gefällt mir nicht«, sprach el-Hakim aus, was sie selbst dachte. »Sein Verstand ist wie Wasser im Wüstensand.«
    »Ihr traut ihm nicht?«
    »Er traut sich selbst nicht, das ist noch schlimmer«, verbesserte der Weise, während er das letzte noch fehlende Stück in die zerbrochene Tontafel fügte.
    »Dennoch gibt es wohl keine Alternative. Es war schwer genug, jemanden aufzutreiben, der einerseits damals in

Weitere Kostenlose Bücher