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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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schön, aber wenn man betrachtete, was seine Landsleute angerichtet hatten …
    Die vom alten Mr. Potts ausgesetzte Belohnung wurde zur Legende und lockte im Laufe der Zeit viele Leute von den Goldfeldern, aus dem Norden, ja, sogar aus Adelaide an, die eine Chance witterten, mithilfe eines Treibholzstücks und einer Räuberpistole zu einem Vermögen zu kommen. In den ersten Monaten lauschte Hannah aufmerksam jedem Bericht über eine erfundene Begegnung oder angeblich in der Schicksalsnacht am Ufer gehörtes Babygeschrei.
    Doch mit der Zeit konnte selbst ihr banges Herz die Lücken in den Geschichten nicht mehr übersehen. Wenn sie einwandte, das am Strand »entdeckte« Babykleid sei nicht das, welches Grace zuletzt getragen hatte, protestierte der Belohnungsjäger: »Denken Sie mal nach! Sie sind außer sich vor Trauer. Woher wollen Sie noch wissen, was das arme Kind angehabt hat?« Oder: »Sie könnten sicher ruhiger schlafen, wenn Sie das Beweisstück einfach anerkennen würden, Mrs. Roennfeldt.« Wenn Gwen diese Leute dann aus dem Salon scheuchte, sich für ihre Bemühungen bedankte und ihnen ein paar Shilling für die Heimreise in die Hand drückte, ließen sie für gewöhnlich eine gehässige Bemerkung fallen.
    Im Januar stand die Kranzschlinge wieder in Blüte, und ihr schwerer üppiger Duft lag in der Luft. Hannah Roennfeldt, inzwischen noch ausgemergelter, ging weiter ihre übliche Route ab, wenn auch inzwischen seltener – Polizeirevier, Strand, Kirche. »Nicht mehr alle Tassen im Schrank«, murmelte Constable Garstone, nachdem sie fort war. Selbst Reverend Norkells drängte sie, weniger Zeit in der dunklen Kirche aus Stein zu verbringen, sondern »Jesus im Leben auf der Welt« zu suchen.
    Zwei Nächte nach der Feier zu Ehren des Leuchtturms lag Hannah wach und hörte plötzlich die Scharniere des Briefkastens quietschen. Sie sah auf die Uhr, deren fahle Leuchtzeiger ihr verrieten, dass es drei war. Ein Opossum vielleicht? Leise stand sie auf und spähte durch eine Lücke im Vorhang, konnte jedoch nichts erkennen. Der Mond war noch nicht aufgegangen, weshalb der schwache Schein der Sterne, die am Himmel funkelten, die einzige Lichtquelle war. Wieder hörte sie das Klappern des Briefkastens, diesmal verursacht vom Wind.
    Sie zündete eine Sturmlaterne an und pirschte zur Tür hinaus, um ihre Schwester nicht zu wecken. Ihr war ein wenig mulmig wegen der Schlangen, die im Schutz der pechschwarzen Finsternis vielleicht Jagd auf Mäuse oder Frösche machten. Ihre bleichen Füße erzeugten kein Geräusch auf dem Gartenweg.
    Die Klappe des Briefkastens schwang sanft hin und her und gab den Blick auf einen Gegenstand frei. Als sie die Laterne näher heranhielt, war ein kleines, längliches Objekt zu erkennen – ein Päckchen. Sie holte es heraus. Es war kaum größer als ihre Hand und in braunes Papier gewickelt. Sie sah sich um, um festzustellen, wie es hierhergeraten war, doch die Dunkelheit schloss sich um ihre Lampe wie eine Faust. Also eilte sie zurück in ihr Schlafzimmer und holte die Schneiderschere, um die Paketschnur zu durchtrennen. Das Päckchen war, in derselben ordentlichen Handschrift wie der Brief, an sie adressiert. Sie öffnete es.
    Während sie die Schichten aus Zeitungspapier entfernte, war bei jeder Bewegung ein Geräusch zu hören. Als endlich die letzte Verpackungshülle gefallen war, spiegelte sich das weiche Licht der Laterne in der silbernen Rassel, die ihr Vater für seine Enkeltochter in Perth hatte anfertigen lassen. Die eingravierten Putten auf dem Griff waren unverkennbar. Unter der Rassel lag ein Zettel.
    Sie ist in Sicherheit. Sie wird geliebt und gut versorgt. Bitte beten Sie für mich.
    Sonst nichts. Weder Datum, Initialen oder Unterschrift.
    »Gwen! Gwen, schnell!« Sie klopfte an die Tür ihrer Schwester. »Schau dir das an! Sie lebt! Grace lebt. Ich habe es immer gewusst!«
    Gwen taumelte aus dem Bett und machte sich auf die nächste wirre Theorie gefasst. Doch beim Anblick der Rassel war sie sofort hellwach, denn schließlich hatte sie neben ihrem Vater bei Caris Brothers in Perth gesessen, als er die Verzierungen mit dem Silberschmied erörtert hatte. Zögernd berührte sie das Spielzeug, als sei es ein Ei, aus dem jeden Moment ein Ungeheuer schlüpfen könnte.
    Hannah weinte, lächelte und lachte gleichzeitig. »Ich habe es dir ja gesagt. Oh, meine liebe Grace! Sie lebt!«
    Gwen legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir wollen nichts überstürzen, Hannah. Gleich

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